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Große Koalition: Schatten der Nacht

Die vorerst letzte Koalitionsrunde – noch nicht ganz Wahlkampf, aber ein bisschen schon. Weder beim Mindestlohn noch bei den Jobcentern gelingt eine Einigung.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Peter Ramsauer hat sehr dringend etwas klarzustellen. Er habe da heute Nacht etwas gesagt, „wie ich’s eigentlich nicht gemeint haben sollte“, räumt der CSU-Landesgruppenchef am Donnerstagmorgen ein. Sechs Stunden davor, kurz nach halb zwei, war Ramsauer aus der Koalitionsrunde im Kanzleramt gestiefelt und hatte das Fazit gezogen: „Das Ende der großen Koalition wirft seine Schatten voraus!“ Dass der Satz ein Fehler war, muss ihm spätestens seit dem Moment gedämmert haben, in dem Peter Struck im „Morgenmagazin“ zu sehen war und „Unsinn“ brummelte: „Wir werden keinen Wahlkampf machen“, versicherte der SPD- Fraktionschef, „sondern müssen uns um die Sorgen der Menschen kümmern.“

Ramsauer, mit anderen Worten, hat die ganze Aufstellung vermasselt. Eigentlich hätte nämlich die Union gerne die SPD als verantwortungslose Gesellen hingestellt, die den Koalitionsausschuss als Wahlkampftribüne missbrauchen. Für diesen Vorwurf hätte es durchaus Belege gegeben. Als unfreundlichen Akt hatten es CDU und CSU schon verstanden, dass Kanzlerkandidat Frank-Walter Steinmeier und Finanzminister Peer Steinbrück letzte Woche einen weitgehenden Forderungskatalog mit Schwerpunkt Managergehälter vorgelegt hatten, obwohl eine Koalitionsarbeitsgruppe zum gleichen Thema einen Kompromiss fertig hatte. Noch am Mittwoch kurz vor Beginn der Sitzung hatten Unionsvertreter zudem verärgert aufgelistet, was die SPD alles an strittigen Themen auf die Tagesordnung gesetzt habe – offenbar in der Absicht, die Union hinterher als Blockierer hinzustellen.

Doch die SPD verzichtete auf das Manöver; vielleicht auch deshalb, weil es allzu durchsichtig war. „Ich kann lesen“, hat Unionsfraktionschef Volker Kauder dem SPD-Chef Franz Müntefering in der Runde hingeworfen, als der von einer Interviewäußerung so recht nichts mehr wissen wollte, die SPD werde das Manager-Thema in den Wahlkampf ziehen. Tatsächlich kam eine konstruktive Lösung zustande: Der gefundene Kompromiss wird auf jeden Fall Gesetz, eine ranghohe Arbeitsgruppe prüft weitere Einigung. Der Vorschlag kam von der Kanzlerin. Angela Merkel will das Thema vor der Wahl vom Tisch haben.

Doch purer Frieden hat nicht geherrscht, im Gegenteil: Zweimal hat’s regelrecht gekracht. Beim Mindestlohn für Zeitarbeiter sind Kauder und Arbeitsminister Olaf Scholz aneinandergeraten. Beide hatten in der letzten Koalitionsrunde vereinbart, dass es eine Lohnuntergrenze für Zeitarbeiter „unter Wahrung der Tarifautonomie“ geben solle. Beide interpretieren das Wort „Wahrung“ seither unterschiedlich. Nach einigem Hin und Her schlug Scholz eine neue Lösung vor. Aber Kauder mochte nicht sofort einschlagen: „Ich möcht’s schriftlich“, beschied er der SPD.

Das Misstrauen des CDU-Manns hing auch mit dem harten Streit davor zusammen. Der galt der verwickelten Frage nach der Zukunft der Jobcenter. Scholz hatte mit NRW-Regierungschef Jürgen Rüttgers einen Vorschlag für eine Grundgesetzänderung ausgehandelt. Die Unions-Fraktionsspitze lehnte aber ab. Nach mehreren Auszeiten und einer Runde der drei Parteichefs schien trotzdem eine Lösung nahe – als Scholz dagegenhielt und obendrein ein Modell für eine Grundgesetzänderung vorschlug, das die Union als glatten Versuch wertete, sie über den Tisch zu ziehen. „Olaf, verseckeln lass’ ich mich nicht!“ zürnte Kauder.

Also doch Schatten des Endes? Einen Termin für die nächste Koalitionsrunde gibt es nicht. Doch keiner glaubt, dass es die letzte war. In der Krise muss regiert werden, mag Ramsauer auch über „Kompromissverdammtheit“ schimpfen.

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