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Obama

© dpa

Große Rede: 38 Mal Standing Ovations für Obama

Barack Obamas liefert einen großen Auftritt vor dem Kongress – selbst seine politischen Gegner zollen dem US-Präsidenten Respekt.

Der neue Präsident hatte etwa vierzehn Minuten gesprochen, drei Viertel seiner Rede vor beiden Häusern des Kongresses lagen noch vor ihm – da war klar, dass er den Abend als unangefochtener Sieger beenden würde. Man sah es an den Gesichtern republikanischer Senatsveteranen wie John McCain und Richard Lugar, die sich bereits sechs, sieben Mal den Standing Ovations des Saales angeschlossen hatten. Auf diesen Gesichtern lag ein Lächeln. Es wirkte wie eine Mischung aus offensichtlichem Stolz auf diesen jungen Mann und politischen Rivalen, der der Nation in ihrer tiefen Krise mit Energie und Tatkraft den Weg weist, und Altersweisheit, als wollten sie kraft all ihrer Erfahrung sagen: Warte nur ab, Barack Obama, das Schicksal lässt sich nicht einfach zwingen, die Welt hält ein paar Überraschungen, auch Tiefschläge, bereit.

Am Morgen danach, dem Mittwoch, waren Amerikas Medien voll Lob. Von den TV-Bildschirmen und Zeitungstiteln sprang den Bürgern die Kernbotschaft entgegen: „Wir werden neu aufbauen, wir werden uns erholen, und die Vereinigten Staaten von Amerika werden stärker (aus der Krise) hervorgehen als zuvor.“ Mit diesem Satz, eine knappe Minute nach Redebeginn, hatte Obama die Abgeordneten und Senatoren zum ersten Mal von den Sitzen gerissen. Ein für den Kongress untypisches begeistertes Johlen füllte den Saal. In den folgenden 51 Minuten seines Auftritts erntete er weitere 37 Standing Ovations.

Amerika verlangt diesen Zuspruch und Optimismus, gerade jetzt. Die ökonomischen Nachrichten sind düster. Die Arbeitslosigkeit ist auf über acht Prozent gestiegen. Die Börse, von der die Alterssicherung der meisten Amerikaner abhängt, bewegt sich weiter abwärts. Es gibt noch kein Anzeichen, dass die milliardenteuren Rettungspakete für die Banken und die Konjunktur Wirkung zeigen. Das Land ahnt vielmehr – und Obama spricht es aus –, dass es schlimmer kommen wird, ehe es besser werden kann. Die Immobilien- und die Bankenkrise liegen jetzt offen zutage, aber das Ausmaß der ungedeckten Risiken bei Kreditkarten und Autokrediten ist noch unklar. Was da demnächst ans Licht kommt, wird neue Turbulenzen nach sich ziehen.

Obama predigte keinen billigen Zweckoptimismus. Geschickt mischte er eine schonungslose Bestandsaufnahme mit Seelenmassage, politischem Programm, ersten „Versprochen – gehalten“-Beispielen aus seiner fünf Wochen jungen Amtszeit und Scherzen, die ein gelöstes Lachen hervorriefen. Da stehe einer an der Spitze, der den Willen, den Ehrgeiz und die Kraft habe, die Krise nicht nur zu verwalten, sondern dem Land Ziel und Richtung vorzugeben, analysierten die Fernsehkommentatoren. Einer, der die Menschen inspiriere. „Man darf keine Krise ungenutzt verstreichen lassen“, hatte Obamas Stabschef Rahm Emanuel kürzlich gesagt. Krisen seien die Gelegenheit, überfällige Reformen durchzusetzen.

„Der Tag der Abrechnung ist gekommen“, wetterte Obama in biblischer Sprache. Seit Jahrzehnten habe Amerika über seine Verhältnisse gelebt, habe gewusst, dass es mit Konsum auf Pump, mit Öl- und Energieverschwendung nicht ewig so weitergehen könne. Doch man habe nichts geändert. „Jetzt nehmen wir unsere Zukunft in die Hand.“ Nach nur vier Wochen im Amt sei ein Konjunkturpaket Gesetz, in dessen Mittelpunkt die Rettung von Arbeitsplätzen stehe. Zum 1. April bekämen 95 Prozent der Bürger eine Steuerentlastung. Die Verschwendung der Steuergelder müsse ein Ende haben. Mit der Überprüfung aller Ausgaben habe er Vizepräsident Biden beauftragt, „denn keiner traut sich, sich mit Joe anzulegen“. Der Saal antwortete mit einem Ausbruch von Heiterkeit.

In ähnlich burschikosen Worten verteidigte Obama die Rettung der Banken. „Ich hab’s kapiert, wie unpopulär das ist“, Bankern zu helfen, wenn alle anderen „unter deren Fehlern leiden“. Ihm gehe es „nicht um Hilfe für Banken, sondern um Hilfe für Menschen“. Wenn das Kreditsystem nicht wieder in Gang komme, könnten die Familien weder Häuser noch Autos finanzieren.

Angesichts der Krise müsse er seine Wahlversprechen auf drei Prioritäten reduzieren. Erstens: eine neue Energiepolitik. „Wir haben die Solartechnik erfunden, sind aber zurückgefallen hinter Länder wie Deutschland und Japan.“ Zweitens: Begrenzung der Gesundheitskosten. „Die Kostenexplosion führt alle 30 Sekunden eine Firma in den Bankrott. Und 1,5 Millionen Amerikaner werden bis Jahresende ihr Eigenheim verlieren“, weil sie die Arztrechnungen nicht bezahlen können. Drittens: Bildung. Die USA hätten „die höchste Schulabbrecherquote aller Industrieländer“. Pathetisch rief er aus: „Wer die Schule abbricht, begeht Verrat an Amerika.“ Die Hälfte aller Studenten beende das Studium nicht. „Das ist ein Rezept für ökonomischen Abstieg.“ Den Trend wolle er wenden, 2020 werde Amerika erneut die höchste Quote an Bürgern mit Studienabschluss haben.

Nur fünf Minuten waren der Außenpolitik gewidmet. „Bald“ werde er erklären, wie er „den Irakkrieg auf verantwortbare Weise beendet“. Die Schließung Guantanamos sei angeordnet. Und „ich kann ohne Einschränkung sagen: Amerika foltert nicht“. Die Republikaner rief er zu Kooperation auf. „Wir alle wollen Amerikas Erfolg.“ Die Rede war ein Triumph. Oft wiederholen kann er sie nicht.

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