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Großoffensive in Afghanistan: Sprengsätze verlangsamen den Vormarsch

Amerikanische, britische und afghanische Truppen haben zwei Taliban-Hochburgen erobert. Dort jedoch gefährden Heckenschützen und Sprengfallen die Alliierten.

Drei Tage nach Beginn der Militäroffensive gegen die radikalislamischen Taliban in der südafghanischen Provinz Helmand richten sich die alliierten Truppen auf eine längere Anwesenheit ein. Die Offensive in der Region um die Stadt Mardscha könnte noch 30 Tage andauern, sagte US-Brigadegeneral Lawrence Nicholson dem US-Fernsehsender CBS. Die Aufständischen hätten mehr Sprengfallen installiert, als die Militärs erwartet hätten. Außerdem gebe es viel Heckenschützenfeuer. Deshalb kämen die Soldaten nur sehr langsam voran.

Derzeit ist es schwierig, den Fortschritt der Aktion einzuschätzen: Der afghanische General Aminullah Patiani sagte, die Städte Mardscha und Nad Ali in der Unruheprovinz Helmand würden nahezu gänzlich von Soldaten kontrolliert. Die radikalislamischen Taliban hätten die Gegend verlassen. Es gebe jedoch weiterhin die Gefahr von versteckten Sprengsätzen. Patiani leitet auf afghanischer Seite den Einsatz der einheimischen und internationalen Truppen.

Taliban-Sprecher Kari Jussif Ahmad sagte hingegen, die Koalitionstruppen hätten keine Gebiete in der Region Mardscha von den Aufständischen eingenommen.

Bei der Operation "Muschtarak" gehen seit Samstag 15.000 afghanische und ausländische Soldaten gegen Aufständische in der Provinz Helmand vor. Es ist die größte Offensive seit dem Sturz des Taliban-Regimes. Die Offensive soll die Aufständischen aus den Regionen um die Städte Mardscha und Nad Ali vertreiben.

Ein britischer Major schilderte von der Front, es sei unklar, wie viele Taliban-Kämpfer in der Region Mardscha seien. Militärs gehen nach Angaben des US-Fernsehsenders CNN davon aus, dass es Hunderte sind, die sich zum Teil in Häusern der Zivilbevölkerung verschanzt haben. Ein britischer Militärsprecher sagte dem Sender, die sehr schwierige Operation laufe "äußerst gut".

Die New York Times berichtete von heftigen Kämpfen in der Gegend um Mardscha. Es stießen immer mehr Truppen in die Stadt vor. Das Militär habe die Suche nach Aufständischen und Waffenverstecken verstärkt. "Wir machen stetig Fortschritte. Aber die Gegend strotzt vor Sprengfallen, sodass wir die Straßen systematisch absuchen und sichern müssen", teilte Hauptmann Abraham Sipe von der amerikanischen Marineinfanterie per E-Mail mit. In vielen Gegenden von Mardscha sei den Soldaten kaum Widerstand entgegengeschlagen. "Es gibt Gebiete mit heftigem Widerstand, aber die Marines rücken im ganzen Gebiet stetig vor." Sipe wollte sich nicht dazu äußern, wie viele Aufständische bisher getötet oder gefangen wurden.

Die Provinzregierung von Helmand sprach von zwölf toten Taliban-Kämpfern. "Bei den Bombardements in Mardscha kamen zwölf Taliban ums Leben", sagte ein Sprecher des Gouverneurs. Helmand ist die gewalttätigste Provinz in Afghanistan und Mardscha die letzte Hochburg der Taliban dort. Der Erfolg der Offensive hängt davon ab, ob es den afghanischen Truppen gelingt, die zurückeroberten Gebiete später auch zu halten. Etliche Einheimische bezweifeln dies und haben die US-Truppen zum Bleiben aufgefordert.

Nach Berichten eines BBC-Korrespondenten soll die Lage in und um das nordöstliche gelegene Nad Ali, in dem britische Truppen operieren, deutlich ruhiger sein. Die Aufständischen dort hätten ihre Waffen niedergelegt oder seien in Richtung Norden geflohen. Nach Angaben der BBC äußerten allerdings Nato-Offizielle die Vermutung, die Taliban könnten ihre Attacken einige Tage lang zurückhalten, um abzuwarten, ob die Koalitionstruppen wieder abzögen.

Am Sonntag, dem zweiten Tag der Operation "Muschtarak", hatten Koalitionstruppen versehentlich mindestens zwölf Zivilisten getötet. Die Internationale Schutztruppe Isaf teilte mit, zwei Raketen hätten ihr Ziel am Sonntag um etwa 300 Meter verfehlt. Isaf-Kommandeur Stanley McChrystal habe sich beim afghanischen Präsidenten Hamid Karsai entschuldigt. "Es ist bedauerlich, dass im Laufe unserer gemeinsamen Anstrengungen Unschuldige ihr Leben verloren", sagte der US-General. Man werde alles unternehmen, dass solche Vorfälle nicht mehr vorkämen.

Vertreter des Präsidentenpalastes hatten zuvor mitgeteilt, eine Rakete habe das Haus einer Familie im Distrikt Mardscha getroffen, wobei zehn Zivilisten getötet und mehrere verletzt worden seien. Die Isaf teilte dagegen mit, es sei im benachbarten Distrikt Nad Ali gewesen. Karsai hatte die Soldaten zu Beginn der Operation am Samstag dazu aufgerufen, vorsichtig vorzugehen und keine Zivilisten zu gefährden. Auch die Vereinten Nationen hatten an die Konfliktparteien appelliert, Unbeteiligte zu schützen.

Mittlerweile hat die Isaf mitgeteilt, den betroffenen Raketenwerfer vorerst nicht mehr einsetzen zu wollen.

Die größten Kontingente der ausländischen Truppen bei der Operation stellen Amerikaner und Briten. Außerdem nehmen Soldaten aus Kanada, Dänemark, Estland und Frankreich teil. Offiziell führen die Afghanen das Kommando. Anders als bei früheren Offensiven, wo die Truppen nach dem Ende der Kämpfe wieder abzogen, soll die Bevölkerung diesmal nach der Operation nicht wieder alleingelassen werden.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, Reuters, AFP

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