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Im Raubfischbecken der Politik sehen sich die Grünen als Piranhas, die anderen Fischen die Zähne zeigen, wie auf einem Plakat bei der Fraktionsklausur zu sehen ist. Foto: Candy Welz/dpa

© dpa

Politik: Grün hinter den Ohren

Die Öko-Partei hat einen Generationswechsel vollzogen. Die neue Garde ist mutig – aber auch unsicher.

Sie müssen jetzt nicht mehr bis zum Ende durchhalten. Es ist Freitagvormittag, als Jürgen Trittin und Renate Künast sich in Weimar auf den Weg zum Bahnhof machen. Die anderen Grünen-Bundestagsabgeordneten diskutieren gerade noch über Arbeitnehmerfreizügigkeit in Europa und die „Weimarer Erklärung“, welche sie nach dreitägigen Debatten verabschieden wollen. Doch die beiden früheren Fraktionsvorsitzenden dürfen schon abreisen. Es ist nicht mehr ihr Job, die traditionelle Jahresauftaktklausur der Fraktion zu einem guten Ende zu bringen.

Seit knapp vier Monaten stehen Katrin Göring-Eckardt und Anton Hofreiter an der Spitze der grünen Bundestagsfraktion. In den vergangenen Wochen haben sie um sich eine Riege vor allem jüngerer Leute geschart, die in dieser Wahlperiode in die zweite Reihe aufgerückt sind. Sie sollen die Grünen nach der herben Wahlniederlage im vergangenen Herbst durch die nächsten vier Oppositionsjahre führen.

Den ersten Nach-Wahl-Schock haben die Grünen überstanden, vor allem die neuen Abgeordneten wollen nach der langen Koalitionsbildung jetzt endlich mit der parlamentarischen Arbeit loslegen. Doch die Verunsicherung bleibt: Wie kann die Partei auf Dauer wieder mehr Wähler von sich überzeugen? Und wie wird sich der Generationswechsel auswirken, den die Grünen nach der Wahl vollzogen haben? Welche Lücke hinterlässt die Generation Trittin und Künast?

Das Jahr beginnen die Abgeordneten jedenfalls damit, sich demonstrativ Mut zu machen. „Kritisch, mutig, grün“, heißt das Motto, das die Fraktion für die Klausur gewählt hat. Ein Plakat zeigt drei kleine grüne Piranhas mit scharfen Zähnen, ihnen gegenüber viele schwarze und rote Fische. Angeführt wird der große Schwarm durch einen Fisch mit Merkel-Frisur, der mit seinen Flossen eine Raute formt, die typische Geste der Kanzlerin. „Wir haben große Lust auf die Oppositionsrolle“, versichert Fraktionschefin Göring-Eckardt am Ende der Klausurtagung.

Mehr Zuspruch erhoffen die Grünen sich dadurch, dass sie den Freiheitsbegriff stärker betonen. Nach dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag wollen sie ihn wieder für sich besetzen. Auch in der Hoffnung, so das Etikett der Verbotspartei loswerden zu können, die den Menschen einen bestimmten Lebensstil vorschreiben will. „Es geht nicht darum, irgendein Erbe anzutreten. Es geht darum, einen leeren Platz im Parlament zu füllen, den die Grünen gut einnehmen können“, erläutert Göring-Eckardt. Zur neuen Öko-FDP wollen die Grünen aber nicht werden. Der Freiheitsbegriff der Grünen sei „emanzipatorisch und solidarisch“, betont die Thüringerin. Ihr Ko-Vorsitzender Hofreiter fügt hinzu, mit Freiheit sei „nicht das Recht des Stärkeren oder des ökonomisch Stärkeren“ gemeint.

Angestoßen worden war die Debatte von mehreren Bundestagsabgeordneten, die ihre Partei vor kurzem in einem Thesenpapier („Die Farbe der Freiheit ist grün“) aufgefordert hatten, wieder attraktiver für das „progressive Bürgertum“ zu werden. „Wir Grüne sind die einzige Kraft für Liberalismus und Bürgerrechte im Bundestag“, heißt es nun in der Weimarer Erklärung. Doch wie sie Freiheit definieren, bleibt in dem Papier wolkig. Am konkretesten ist noch die Ankündigung, dass die Fraktion im ersten Halbjahr 2014 einen großen Freiheitskongress veranstalten will. Einig sind sich die Grünen, dass zu den Freiheitsrechten auch der Schutz der Bürgerrechte gehört. Mit Blick auf den NSA-Überwachungsskandal fordert die Bundestagsfraktion unter anderem eine bessere Kontrolle der Geheimdienste, mehr Datenschutz für Privatleute und Arbeitnehmer sowie den Verzicht auf die Vorratsdatenspeicherung.

Inhaltlich haben sich die Abgeordneten ansonsten vorgenommen, das grüne Kernthema, den Schutz der Umwelt, wieder stärker in den Fokus zu rücken. Für die Energiewende wollen sie ein eigenes Konzept vorlegen. In einem ersten Schritt soll es dazu einen Vorschlag für die anstehende Reform der Förderung der Erneuerbaren Energien (EEG) geben, der momentan mit den grünen Energieministern aus den Ländern erarbeitet wird. Fraktionschef Hofreiter bietet der großen Koalition einen „richtig guten Konsens“ für die Energiewende an – vorausgesetzt, diese sei bereit für einen Neustart. Dem schwarz-roten Koalitionsvertrag kann der Bayer zwar nichts Gutes abgewinnen, dass SPD-Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel den ausgewiesenen Grünen-Experten Rainer Baake zum Staatssekretär gemacht hat, interpretiert Hofreiter aber als ein Signal, das „Hoffnung“ macht.

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