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Politik: Grüne: Allianz für die Familie

Noch vor wenigen Jahren rümpften viele in der großen Politik die Nase, wenn einer sich öffentlich Gedanken über Pflichten von Eltern und Kindern in der Schule machte. Undenkbar war es, dass ausgerechnet Politiker der Grünen mit einem Spitzenrepräsentanten der deutschen Wirtschaft zusammensitzen und sich darüber freuen würden, dass beide Seiten ganz ähnliche Vorstellungen über die Bedeutung von Familie für die Zukunft der Gesellschaft vortragen.

Von Hans Monath

Noch vor wenigen Jahren rümpften viele in der großen Politik die Nase, wenn einer sich öffentlich Gedanken über Pflichten von Eltern und Kindern in der Schule machte. Undenkbar war es, dass ausgerechnet Politiker der Grünen mit einem Spitzenrepräsentanten der deutschen Wirtschaft zusammensitzen und sich darüber freuen würden, dass beide Seiten ganz ähnliche Vorstellungen über die Bedeutung von Familie für die Zukunft der Gesellschaft vortragen.

Aber die Zeiten haben sich geändert, vor allem die Familienpolitik der beiden Koalitionsparteien ist radikal im Umbruch. Und deshalb saßen am Freitag drei jüngere Politiker der Grünen mit Ludwig Georg Braun, dem Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), zusammen und hörten von dem Vertreter von drei Millionen deutschen Unternehmen Ermunterungen zu ihren familienpolitischen Zielen wie: "Da haben Sie den DIHK sofort auf ihrer Seite."

Nun ist Ludwig Georg Braun ein ungewöhnlicher Spitzenfunktionär in der Wirtschaftslobby: Der Vorstandschef der hessischen B. Braun Melsungen AG kümmert sich nicht nur um die Ertragskraft von Unternehmen. Er ist überzeugt, dass angesichts der demographischen Entwicklung auch die schwierige Situation berufstätiger Mütter, der Mangel an Ganztagesschulen, Teilzeitjobs und Kindergartenplätzen sowohl der Gesellschaft als auch der Wirtschaft schaden. Der überzeugte Christ und Vater von fünf Kindern will die Familie auch fördern, damit Deutschland nicht überaltert: "Wenn viele das Kinderkriegen weiter nur betrachten als ein Missgeschick von sexuellen Beziehungen, dann wird das schiefgehen."

Aber auch die Bundestagsabgeordneten Katrin Göring-Eckardt, Steffi Lemke und Cem Özdemir, die anders als der DIHK-Chef weniger Vorbehalte gegen staatliche Eingriffe hegen, sind nicht - oder noch nicht - typisch für ihre Organisation: Gemeinsam mit anderen jüngeren Grünen-Politiker haben sie den flügelübergreifenden "Familienkreis" gegründet, der einen starken Begriff der Familie in der Partei verankern soll. Ihre Überzeugung ist, dass Emanzipation und Bindung sich nicht ausschließen - und sie halten die Familie als Lebensform anders als die Vorgängergeneration der 68er für etwas sehr Zukunftsweisendes und Wertvolles.

Die Grünen und der Wirtschaftsmann stimmten auch darin überein, dass Kindergärten und Schulen nicht einfach Dienstleistungsunternehmen sein dürfen: "Ich gebe Ihnen völlig Recht, dass wir von Eltern auch mehr fordern müssen", sagte Özdemir dem DIHK-Chef. Özdemir hat zwar keine Kinder, aber Erfahrung als studierter Sozialpädagoge. Unternehmer Braun hat seine eigene Firma übrigens zum familienpolitischen Modellbetrieb ausgebaut. Seine bitteres Resümee kann er deshalb mit gutem Gewissen ziehen: "Wir haben immer nur von der Familie geredet, aber nichts gemacht."

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