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Es geht auch anders. Substitutionstherapie kann Heroinabhängigen das Überleben sichern.

© Frank Leonhardt/ dpa

Exklusiv

Grüne kritisieren Regierung: GroKo tut zu wenig bei der Behandlung von Drogenabhängigen

Legale Ersatzstoffe sollen Drogenabhängigen das Überleben sichern und sie aus der Kriminalität holen. Doch laut den Grünen fehlt es an Behandlungsangeboten.

Die Grünen werfen der Bundesregierung vor, sich zu wenig um die Behandlung von Drogenabhängigen mit legalen Ersatzstoffen zu kümmern. Trotz aller Erfolge der sogenannten Substitutionstherapie sei die Versorgung nicht gesichert, sagte Grünen-Expertin Kirsten Kappert-Gonther dem Tagesspiegel. „Die Bundesregierung tut nichts gegen die weißen Flächen auf der Landkarte.“ Besonders der Osten sei unversorgt.

Ziel der Behandlung ist es, Drogenabhängige durch die kontrollierte Abgabe von qualitätsgesicherten Ersatzstoffen wie Methadon oder Diamorphin gesundheitlich zu stabilisieren und ihr Überleben zu sichern. Zudem sollen sie aus der Beschaffungskriminalität geholt werden. Jedoch gibt es in Deutschland nach wie vor zahlreiche unversorgte Regionen, wie eine aktuelle Übersicht des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte belegt.

Von den insgesamt 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten seien 56 „als weiße Flächen erkennbar“, teilte das Gesundheitsministerium den Grünen mit. Der Auflistung zufolge finden sich die meisten unversorgten Gebiete in Bayern (19), gefolgt von Brandenburg (11) und Thüringen (9).

Auffällig ist vor allem eine gegenläufige Entwicklung: Während die Zahl der Substitutionspatienten im vergangenen Jahr mit 79.400 einen neuen Rekord erreichte, sank die Zahl der auf solche Behandlung spezialisierten Ärzte auf den niedrigsten Wert seit zehn Jahren. Nur 2585 Mediziner waren 2018 für diese Therapieform gemeldet.

Mehr als 5400 Patienten in Berlin

Es sei festzustellen, dass sich nicht alle Ärzte mit suchtmedizinischer Qualifikation an der Substitution beteiligten, heißt es in der Antwort der Regierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen, die dem Tagesspiegel vorliegt. Dabei habe man eine Reform der Betäubungsmittel-Verschreibungsverordnung von 2017 auch auf "die Förderung der Motivation von Ärztinnen und Ärzten" abgezielt, Patienten im Rahmen einer Substitutionstherapie zu behandeln.

Nun, so findet Gesundheitsstaatssekretärin Sabine Weiss, seien "auch die Länder aufgerufen, gegebenenfalls im Austausch mit dem BMG und den Versorgungsträgern vor Ort, die Zielstellungen dieser Vorschriften durch geeignete Maßnahmen im Blick zu behalten".

Auf die meisten Substitutionspatienten gemessen an der Einwohnerzahl kommt Bremen. Pro 100.000 Einwohner sind es dort 260. Berlin kommt auf 152, die absolute Zahl liegt in der Hauptstadt bei 5442. Nordrhein-Westfalen hat 25.846 solcher Patienten gemeldet, in Bayern sind es 8265 – und Brandenburg hat grade mal 100. Dabei ist die Belastung pro Arzt höchst unterschiedlich. In Hamburg kommen auf einen Arzt, der Substitution anbietet, mehr als 44 Patienten. In Berlin sind es 37,in Brandenburg nur sieben.

Experten warnen seit längerem vor erheblichen Versorgungslücken bei der Substitutionstherapie. Sie kritisieren zudem, dass die regionale Versorgung unterschiedlich vergütet wird – und dass die Suchtmedizin im Studium eine zu untergeordnete Rolle spiele.

Überprüfung erst im Frühjahr 2022

Vor zwei Jahren erst wurde die Behandlung von Opioidabhängigen durch Substitution per Reform verbessert und dem medizinischen Kenntnisstand angepasst. Ob man die selbstgesteckten Ziele erreiche, werde eine Überprüfung im Frühjahr 2022 zeigen, heißt es in der Antwort der Bundesregierung.

Wenn man sich dafür so lange Zeit lasse, verliefen die guten Anstöße womöglich im Sande, warnt Kappert-Gonther. Die Substitutionstherapie ermögliche Heroinabhängigen ein geregeltes Leben. Die Länder dürften beim Aufbau einer Versorgungsstruktur nicht allein gelassen werden.

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