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Politik: Grüne: Nichts kann bleiben, wie es ist

Parteichef Kuhn in großer Sorge wegen des Stimmungstiefs / Wähler fühlen sich von der Regierung betrogen

Berlin (dpa/Tsp). Nach den Spar-Beschlüssen des Bundestags sind die Grünen über die politische Zukunft der Koalition beunruhigt. „Ich gebe zu, dass macht mir große Sorgen“, sagte Parteichef Fritz Kuhn dem Tagesspiegel am Sonntag angesichts sinkender Werte in den Meinungsumfragen . Der Grünen-Politiker Michael Vesper hat seine Partei davor gewarnt, sich für die politischen Fehler des Koalitionspartners SPD verantwortlich machen zu lassen. „Wir müssen aufpassen, dass uns nicht Dinge in die Schuhe geschoben werden, die Grüne nicht wollten“. Nach einer Polis-Umfrage fühlen sich die meisten Wähler von Rot-Grün getäuscht.

Der Umfrage zufolge werfen gut zwei Drittel der Wahlberechtigten (68 Prozent) SPD und Grünen falsche Versprechungen im Wahlkampf vor. Nach Ansicht vom Emnid-Chef Klaus-Peter Schöppner hat Rot-Grün sein Vertrauen bei den Wählern dauerhaft verspielt. Der dramatische Einbruch der SPD in den jüngsten Umfragen sei mit der Lage der CDU nach dem Spendenskandal 1999 vergleichbar, sagte Schöppner. Der Umfragewert der Regierung sei der schlechteste seit 30 Jahren so kurz nach der Wahl, analysierte die Forschungsgruppe Wahlen. Es bleibe der Eindruck von Unredlichkeit hängen, sagte Schöppner.

Die rot-grüne Regierungskoalition will künftige Konflikte früher entschärfen. Es sei vereinbart worden, dass der Koalitionsausschuss in Zukunft regelmäßig tage, damit mögliche Streitthemen rechtzeitig besprochen würden, sagte SPD-Fraktionschef Franz Müntefering der „Bild am Sonntag“.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt wies Parteimitglieder zurecht, die das Ende der Koalition angedroht hatten. „Da haben einige bei uns überzogen“, sagte Göring-Eckardt. Die Partei habe sich die Niederlage bei der Rente teils selbst zuzuschreiben. „Wir hätten uns vor der Koalitionsrunde besser abstimmen müssen.“

Grünen-Parteichef Kuhn räumte ein, dass die Regierung das schlechte Stimmungsbild im Zusammenhang mit dem Sparpaket selbst mitverschuldet habe: „Wir haben, das gebe ich zu, viel zu wenig darauf geachtet, den Menschen erst einmal zu sagen, wie bitter die Lage ist.“ Es gebe zu wenig neue Arbeitsplätze, die sozialen Sicherungssysteme seien finanziell überfordert, die Menschen würden zu wenig Geld ausgeben. „Die Stimmung ist mies“, sagte Kuhn. „Wir stehen in absolut schwerem Gewässer.“ Er gab im Rentenstreit auch eigene Fehler zu: „In die Verhandlungen hätten wir nicht mit drei verschiedenen Strategien gehen dürfen.“

Nach Ansicht Kuhns kann nur ein entschlossenes Reformprogramm die Lage verbessern. „Nichts kann in Deutschland so bleiben, wie es ist. Nur so kommen wieder bessere Zeiten“, sagte er. Die Grünen würden in der Koalition als „Reformmotor“ auf diese Veränderungen drängen und hätten auch Erfolge vorzuweisen, etwa den Beschluss zur neuen Kommission zur Reform sozialer Sicherungssysteme. Die Geduld seiner Partei mit den Sozialdemokraten aber „würde dann enden, wenn dem Notprogramm keine strukturellen Veränderungen folgen“.

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