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© dpa

Grüne: Steffi Lemke - Parteimanagerin vom linken Flügel

Grünen-Chefwahlkämpferin Steffi Lemke scheut das Rampenlicht – der Beliebtheit ihrer Partei tut das keinen Abbruch.

Von Hans Monath

Die Aussage war kurz, spontan und deutlich. „nächtliche telefonkonferenzen im urlaub wegen gescheiterter koalitionen sind extrem lästig!“, twitterte Steffi Lemke Mitte Juli, nachdem der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Peter Harry Carstensen in Kiel das Regierungsbündnis mit der SPD aufgekündigt hatte. Keinen Hehl machte die Bundesgeschäftsführerin der Grünen in ihrer Internet-Zwitscherei daraus, dass sie fern von Berlin lieber anderen Beschäftigungen nachgegangen wäre, als sich zu später Stunde mit dem übrigen Spitzenpersonal der Ökopartei zu beraten.

Doch im Superwahljahr 2009 ist auch die Reaktion der Bundesgrünen auf die kurzfristig anberaumte Landtagswahl im Norden wichtig. Inzwischen ist die Grünen-Politikerin mit den blonden Locken längst wieder in ihrem Berliner Büro in dem renovierten Altbau der Partei am Platz vor dem neuen Tor und koordiniert als Wahlkampfleiterin die Kampagne, deren Slogan lautet „Aus der Krise hilft nur grün“. Vor drei Wochen präsentierte Lemke die Kampagne gemeinsam mit den Spitzenkandidaten Renate Künast und Jürgen Trittin in einer ehemaligen Fabriketage in einem Kreuzberger Hinterhof.

Die Grünen hätten zwar mit vier Millionen Euro den kleinsten Wahlkampf-Etat aller Bundestagsparteien, erklärte Lemke vor den neuen Plakaten ihrer Partei („Jobs, Jobs, Jobs“). Sie würden die fehlenden Mittel aber „durch Einsatz und Motivation ausgleichen“. Tatsächlich hat der Erfolg bei der Europawahl (12,1 Prozent) den Wahlkämpfern der Ökopartei viel Auftrieb gegeben, auch wenn ihre Machtperspektive für die Zeit nach dem 27. September wegen der Schwäche der SPD eher düster aussieht.

Gelegenheit für öffentliche Auftritte vor wichtigem Publikum finden Bundesgeschäftsführer der Grünen weit seltener als Generalsekretäre anderer Parteien, die eine ähnliche Funktion begleiten. Denn in der Ökopartei hat sich in der Nach-Fischer-Ära eine prekäre Stabilität verschiedener Machtaspiranten herausgebildet.

Unangefochten an der Spitze stehen im Wahljahr die Spitzenkandidaten Künast und Trittin. Um die wertvolle Aufmerksamkeit der Medien ringen aber auch die Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir sowie Fraktionschef Fritz Kuhn. Während Generalsekretäre anderer Parteien als Zuspitzer politischer Botschaften („Wadenbeißer“) regelmäßig vor die Presse treten, sind diese Termine bei den Grünen den Parteichefs und Spitzenkandidaten vorbehalten.

Die Aufgabe Lemkes ist deshalb noch stärker nach innen gerichtet als die ihrer Counterparts in der CDU, der SPD, der FDP oder der Linkspartei. Mit bald sieben Jahren im Amt schaut die Dessauerin auf eine weit längere Erfahrung zurück als ihre politischen Konkurrenten. Innerhalb der Partei gehört sie zum linken Flügel. So sieht sie es auch als ihr Verdienst, dass es den Grünen im vergangenen Jahr gelang, durch Mobilisierung für Anti- AKW-Demonstrationen wieder Anschluss an die außerparlamentarische Anti-Atom-Bewegung zu finden. Realpolitiker, die „ihren“ Vertreter Özdemir in der Parteispitze in der Minderheit sehen, klagen dagegen, von Lemke gingen kaum politische Impulse aus. Eine Niederlage musste die 41-Jährige in diesem Jahr beim Versuch hinnehmen, in den Bundestag zurückzukehren, dem sie von 1994 bis 2002 angehörte: In ihrem Heimatland Sachsen-Anhalt unterlag sie im Kampf um den einzig aussichtsreichen ersten Listenplatz.

Lemke ist stolz darauf, dass die Grünen früher als andere Parteien die Möglichkeiten des Internets entdeckt haben. Dabei geht es nicht nur um die Technologie einer internet-affinen Wählerschaft. Auch die politischen Versprechen passen zum Medium. „Wer Grün wählt, wählt ein freies Internet – ohne Filter und Massenüberwachung“, heißt es im Programm.

Unwirsch reagierte Lemke deshalb auf einen Vorstoß des Fraktionschefs der Grünen in Bremen, Matthias Güldner, der gegen den Mainstream der Partei Netzsperren gegen Kinderpornografie ablehnt. Zum Argument der Grünen-Spitze, die Sperren könnten umgangen werden, meinte Güldner: „Da haben sich einige wohl das Gehirn herausgetwittert.“ Die Bundesgeschäftsführerin keilte – per Twitter – postwendend zurück: „Das einzige, was ich dazu ,heraustwittere’ ist: Grüne Position ist das Gegenteil von dem, was du schreibst. Zum glück!“

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