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Der AfD stehen im Bundestag auch Zerreißproben bevor.

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Grüne, Trump und AfD: Lassen sich auch rechte Rebellen domestizieren?

Die Kräfte des Establishments ziehen an Donald Trump, dem Original der Rechtspopulisten. Auch der AfD stehen nun Zerreißproben bevor. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Die Verbürgerlichung der Grünen begann im März 1983. Damals zogen sie zum ersten Mal in den Bundestag ein. Vorbei war die Zeit der reinen Bewegung, deren Vertreter von außen auf das System, verfilzte Strukturen und das Establishment schimpfen konnten. Plötzlich hatten sie Macht und Einfluss, waren Teil des Apparats. Das verändert. Im parlamentarischen Alltag verblasste langsam der Charme von aufmüpfigen, unangepassten und manchmal hart am Rande der Legalität agierenden Weltverbesserern. Heute sind Grüne ganz und gar schwiegermutter- und -vatertauglich.

Nun zieht wieder eine neue Partei in den Bundestag ein, die Alternative für Deutschland (AfD). Ihre Anhänger stehen für das Gegenteil dessen, wofür die Grünen kämpfen. Aber die Inszenierungen ähneln sich. Auch die AfD ist straßenerprobt, sieht sich als Bewegung, will provozieren. Das Establishment, wahlweise die Elite, ist der Gegner. In ihrer Eigenwahrnehmung empfinden sich AfDler als Rebellen von rechts, als Avantgarde, die den Zeitgeist verkörpert, weil sie den Political-Correctness-Zeitgeist verhöhnt.

Das Original dieser Rechtspopulisten sitzt im Weißen Haus und heißt Donald Trump. Er hat das Image des Unangepassten zur Perfektion getrieben. Aber Trump ist seit mehr als einem halben Jahr Präsident, und das Amt wirkt auf ihn. Die Kräfte des Establishments zerren an ihm – die Republikaner, seine Minister. Sie verlangen Vernunft, Mäßigung, Augenmaß. In dem Maße indes, in dem Trump ihnen nachgibt – zuletzt bei der Truppenaufstockung in Afghanistan –, gefährdet er seinen Ruf, ein unbestechlicher, authentischer Außenseiter zu sein.

Der Trumpismus wendet sich gegen Trump

Das illustriert eine aktuelle Episode. Im Bundesstaat Alabama fanden gerade parteiinterne Vorwahlen der Republikaner für einen Senatssitz statt. Trump unterstützte, auf Bitten seiner Partei, den moderat-konservativen Amtsinhaber, doch der Herausforderer, ein radikaler Rechter, gewann. Der Trumpismus wendet sich gegen Trump. Die Geister, die er rief, kopieren rücksichtslos seine Methode. Trump wird das Dilemma, das daraus folgt, spüren. Will er überhaupt etwas erreichen, muss er sich auf die Spielregeln des Washingtoner Betriebs – Verhandlungen, Absprachen und Kompromisse – einlassen. Das allerdings macht ihn zum Teil dieses Betriebs, zu einem Rad im Washingtoner Räderwerk.

Der AfD stehen nun auch Zerreißproben bevor. Der jüngste Richtungskampf um Frauke Petry wird nicht der letzte sein. Zentrale Identitätsfragen der Partei sind ja ungeklärt. Soll die Oppositionsarbeit konstruktiv oder destruktiv sein? Wie viel Raum dürfen Rassisten und Geschichtsrelativierer einnehmen? Auch wenn der Vergleich unstatthaft wirken mag: Bis heute spricht man bei den Grünen von einem Realo- und einem Fundi-Flügel. Als Joschka Fischer einst für den Militäreinsatz im Kosovo warb, flog ihm ein Farbbeutel ins Gesicht.

An der Spannung zwischen reiner Lehre und vertrackter Realität kann eine Partei ebenso zerbrechen wie ein amerikanischer Präsident. Wer eintritt ins politische System, hat eben oft nur die Wahl zwischen falsch und verkehrt. Ob der Parlamentarismus die AfD mäßigt, ist offen. Erste Erfahrungen in Landesparlamenten sprechen dagegen. Ihre Konflikte wird die Partei weiter öffentlich austragen. An dem Nimbus, eine stetig wachsende Bewegung rechter Rebellen zu sein, kratzt sie selbst am heftigsten.

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