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Franziska Brantner ist Sprecherin für Kinder- und Familienpolitik der Grünen-Bundestagsfraktion

© Jan van de Vel

Grüne Zeitpolitik: "Wir wollen dafür sorgen, dass Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können"

Vor dem Parteitag in Halle: Die Grünen-Familienexpertin Franziska Brantner über die Arbeitszeit-Wünsche von jungen Eltern in Deutschland, zusätzliche Elterngeld-Monate - und den Kita-Ausbau

Die Grünen wollen mit einer neuen Arbeitszeitpolitik etwas gegen die Zeitnot von Eltern tun. Was schlagen Sie vor?

Wir wollen dafür sorgen, dass Eltern mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen können. Wir wollen ihnen mehr Freiräume verschaffen: Sie sollen stärker darüber mitbestimmen können, wie viel und wann sie arbeiten.

Auf dem Parteitag wollen die Grünen am Wochenende unter anderem über eine Ausweitung des Elterngelds diskutieren. Wie soll die aussehen?

Wir wollen das Elterngeld so ergänzen, dass es Müttern und Vätern leichter gemacht wird, Beruf und Familie unter einen Hut zu bekommen. Eltern sollen zusätzliche Elterngeld-Monate erhalten, die sie nutzen können, um die Arbeitszeit zu reduzieren. In den letzten Jahren haben wir vor allem auf das erste Lebensjahr des Kindes geschaut. Es gibt aber auch später Phasen, in denen Eltern wieder mehr Zeit für die Kinder brauchen. Deshalb wollen wir die Möglichkeit schaffen, in den ersten 14 Lebensjahren des Kindes Familien-Zeit zu nehmen.

Wie stellen Sie sich das konkret vor?

Nach unseren Plänen soll jedes Elternteil Anspruch auf jeweils acht Monate Elterngeld haben, weitere acht Monate sollen sich die Eltern frei untereinander aufteilen können. Im ersten Lebensjahr des Kindes können Eltern wie bisher komplett aus dem Job aussteigen. Die zusätzlichen Elterngeld-Monate können sie nutzen, um in Teilzeit zu gehen. Dabei gilt das Prinzip: Je weniger jemand seine Arbeitszeit reduziert, desto länger soll er Anspruch auf die Lohnersatzleistung haben.

Was versprechen Sie sich davon?

Wenn man junge Eltern in Deutschland nach ihren Arbeitszeitwünschen fragt, kommt dabei regelmäßig heraus, dass viele Väter gerne ihren Arbeitsumfang etwas reduzieren würden, während Mütter, die nur eine halbe Stelle haben, gerne mehr arbeiten würden. Wir wollen Anreize setzen, die eine große Teilzeit fördern, also 75- oder 80-Prozent-Stellen. Wir haben uns dabei von Schweden inspirieren lassen. Dort haben vergleichbare Regelungen beim Elterngeld dafür gesorgt, dass Mütter und Väter sich gleichberechtigter auf einem ähnlichen Arbeitszeitniveau eingependelt haben.

Auch Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) setzt sich für eine bessere Vereinbarkeit ein. Sie fordert eine Familienarbeitszeit, die ebenfalls dazu dienen soll, dass Eltern vorübergehend ihre Arbeitszeit reduzieren können. Wo ist der Unterschied?

Im Modell von Frau Schwesig müssen beide Eltern genau zwischen 28 und 32 Stunden arbeiten. Wir wollen Eltern nicht vorgeben, wie viel sie arbeiten sollen. In unserem Modell ist lediglich vorgesehen, dass die Wochenarbeitszeit nach dem ersten Lebensjahr des Kindes bei mindestens 20 Stunden liegen muss.  Der Vorteil ist außerdem, dass wir ein Instrument wollen, das man nur einmal beantragen muss.

Bei den Grünen gibt es aber auch Kritik daran. Politiker vom Realo-Flügel monieren, dass die zusätzlichen Elterngeld-Monate viel zu teuer seien und das Geld lieber in den Kita-Ausbau gesteckt werden sollte. Ist da nicht etwas dran?

Natürlich müssen wir auch den Kita-Ausbau weiter voranbringen. Uns ging es mit der Familien-Zeit aber um etwas anderes: Wir wollen dafür sorgen, dass Eltern flexibler bei der Wahl ihrer Arbeitszeiten sind und dass sie dabei unterstützt werden, sich Arbeit und Familie gleichberechtigter untereinander aufzuteilen. Die Mehrausgaben wären außerdem überschaubar.

Für manche Mütter und Väter ist nicht der Arbeitsumfang das Problem, sondern die Lage der Arbeitszeiten, etwa wenn sie Schichtdienst machen müssen. Was wollen sie für diese Eltern tun?

In Frankreich gibt es so genannte Zeitchartas: Dort sind Unternehmen und Betriebsräte verpflichtet worden, über die Zeitbedürfnisse ihre Mitarbeiter zu verhandeln. Der Staat schreibt nicht vor, wie eine Lösung aussehen muss, schließlich kann das in jedem Unternehmen anders aussehen. Aber er verlangt, dass es Verhandlungen geben soll. Ich fände solche Zeitchartas auch für Deutschland im Sinne der Vereinbarkeit von Familie und Beruf sinnvoll.

Franziska Brantner (36) ist kinder- und familienpolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion. Die Abgeordnete aus dem Wahlkreis Heidelberg ist seit 2013 im Bundestag. Zuvor vor die Grünen-Politikerin vier Jahre lang Mitglied des Europäischen Parlaments.

Das Interview führte Cordula Eubel

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