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Politik: Grummeln im Bürgerhaus

Die Basis ist unzufrieden – mit denen in Kiel und in Berlin

Als Hans-Heinrich Langhann, CDU-Vorsitzender des Amtsverbandes Aukrug (Kreis Rendsburg-Eckernförde), Ende Juli die Einladung zur Jahreshauptversammlung verschickte, konnte er noch nicht ahnen, welches innerparteiliche Erdbeben sich einen Tag vor der anvisierten Sitzung zutragen sollte. Angesichts des jähen Absturzes Christian von Boettichers als CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl, als Landesvorsitzender und Fraktionschef in Schleswig-Holstein begrüßt er am Montagabend im Bürgerhaus Ehndorf die erschienenen 41 Mitglieder mit dem Satz: „Ich weiß nicht, was man uns Mitgliedern und den Wählern noch alles zumuten will.“ Boetticher trat wegen einer Affäre mit einer 16-Jährigen zurück.

Etwa ein Drittel der Mitglieder verschiedener Ortsvereine ist gekommen, darunter drei Frauen. Politik zwischen Sportpokalen und Trophäen der Freiwilligen Feuerwehr ist hier noch Männersache. Neben dem Kreisvorsitzenden Johann Wadephul, seit 2009 im Bundestag und zuvor Kopf der Landtagsfraktion, zählen auch die Landtagsabgeordneten Marion Herdan und Hauke Göttsch zu den Gästen. Nach der Erledigung der Formalien kommt die Runde rasch zum Zustand der Partei. Natürlich geht es um die Affäre in Kiel, aber auch um das Erscheinungsbild der Bundespartei und den Führungsstil der Kanzlerin Angela Merkel. Wadephul wird deutlich: „Ich habe eine 16-jährige Tochter, und was glauben Sie wohl, was bei uns zu Hause Thema war?“ Vater Wadephul hält mit seinem Moralbild nicht hinterm Berg. Die Unreife eines Teenagers auszunutzen, das könne man nicht machen. Statt Gefühle zu wecken, müsse der Ältere sich gefälligst als der Verantwortlichere beherrschen. Allgemeines Kopfnicken. Nur einer im Zuhörerkreis widerspricht. Die gesellschaftliche Einstellung sei doch liberaler geworden, erst recht, „wenn inzwischen sogar der Papst den Zölibat infrage stellt“.

Wadephul soll, so wünscht es die Runde, mit dem erweiterten Landesvorstand nun die richtigen personellen Nachfolgeentscheidungen treffen. Der frühere Fraktionschef warnt vor Hektik. Aus dem Ortsverein Wasbek kommt die Forderung, dass nun die Basis dran sei, in den Entscheidungsprozess mit eingebunden zu werden. Dass der Vorstand bereits einen Tag später praktisch eine Entscheidung fallen wird, ahnt zu diesem Zeitpunkt hier noch niemand.

Wadephul analysiert ganz nüchtern die künftigen Wahlchancen: Sowohl in Kiel 2012 als auch auf Bundesebene 2013 werde es schwer für eine Neuauflage schwarz-gelber Koalitionen. Bald hat sich der 48-jährige Jurist in Rage geredet. Beim Generalsekretär Hermann Gröhe in Berlin vermisst er Aktivität, er sehne sich manchmal zurück nach „Attacken“, wie sie einst von den Generalsekretären Heiner Geißler und Kurt Biedenkopf kamen. Zur Kanzlerin merkt Wadephul an, nachdem in der Versammlung Kritik an einem Schlingerkurs in der internationalen Schuldenkrise laut wird, sie sei nun mal nicht „die große Erklärerin“ und habe es auch ungleich schwerer, weil die Welt inzwischen „schwieriger“ geworden sei.

Langhann kann seine Sorgen, warum die Umfragewerte der Partei trotz zuletzt ausgezeichneter Wirtschaftsdaten stagnieren, der Bundesvorsitzenden demnächst persönlich mitteilen. Er hat am 24. Oktober einen Termin bei Merkel, weil im Vorjahr der Aukruger Ortsverein den Wettbewerb um die Anwerbung der meisten Neumitglieder im Land gewonnen hat. Die Freude über die 23 neu ausgegebenen Parteibücher ist bei ihm inzwischen fast schon wieder in Frust umgeschlagen. Wegen der Teenager-Affäre. „Er war schon viermal bei uns zu Gast und hatte immer einen blendenden Eindruck hinterlassen“, blickt Langhann auf die Boetticher-Besuche zurück. Zum nächsten Spargelessen dürfte nun Jost de Jager als Gast aus der Landeshauptstadt erscheinen.

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