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Christian Lindner (FDP), Bundesminister der Finanzen

© dpaKay Nietfeld

Update

Inflationsausgleich von zehn Milliarden Euro: Lindner will umfangreiches Steuerpaket einbringen

Der Bundesfinanzminister prescht mit einem steuerlichen Entlastungsplan vor - außer für besonders Reiche. Von SPD und Grünen kommt dennoch Kritik.

In die kommenden Verhandlungen in der Ampel-Koalition zu weiteren Entlastungen der Bürger will Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) ein umfangreiches Steuerpaket einbringen. Wie am Montag bekannt wurde, sollen die Verbesserungen beim steuerlichen Grundfreibetrag, beim Kindergeld und beim Inflationsausgleich bei der Einkommensteuer ein Volumen von insgesamt etwa zehn Milliarden Euro im kommenden Jahr haben. 2024 käme ein weiterer Schritt im Umfang von vier Milliarden Euro hinzu.

Die Koalition ist gesetzlich verpflichtet, die Freibeträge für Erwachsene und Kinder bei der Einkommensteuer (und damit auch das Kindergeld) der Preissteigerung anzupassen. Zum Teil ist das mit umgesetzten Entlastungsschritten schon geschehen – im Rahmen des zweiten Entlastungspakets wurden die Freibeträge rückwirkend zum 1. Januar 2022 schon erhöht. Nach dem nun bekannt gewordenen Zahlentableau soll der Grundfreibetrag in drei Schritten bis 2024 auf 10933 Euro steigen. Vor der rückwirkenden Anhebung lag er bei 9984 Euro.

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Nach einem Bericht des „Spiegel“ rechnet Lindner mit einer Inflationsrate von sechs Prozent in diesem und 2,5 Prozent im kommenden Jahr. Auch der Einkommensteuertarif könnte in diesem Maß angepasst werden, doch haben Bundesregierung und Bundestag hier einen Ermessensspielraum. Zudem könnte die Inflationsrate in den nächsten Wochen noch nach oben korrigiert werden. Lindner will das Mögliche in vollem Umfang ausschöpfen. Entsprechend steigt der Betrag, von dem an ein Einkommen mit dem Spitzensteuersatz von 42 Prozent belegt wird, von derzeit 58597 Euro auf 63521 Euro im Jahr 2024 – ein Plus von 8,5 Prozent.

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Lindner beklagt "klassenkämpferischen Ton"

Lindner twitterte, mit seinen Vorschlägen gebe es „einen spürbaren und dauerhaften Inflationsausgleich. Den bisweilen klassenkämpferischen Ton in der Debatte bedauere ich. Denn: Von einer Änderung des Tarifverlaufs profitieren kleine und mittlere Einkommen relativ am stärksten.“

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Damit zielte der Finanzminister auf Kritik aus der SPD und von den Grünen an den Plänen, den Steuertarif umfangreich anzupassen. Am Widerstand in der Koalition ändert auch nichts, dass Lindner den Steuersatz von 45 Prozent für Superverdiener weiterhin bei 277826 Euro belassen will, hier also keinen Inflationsausgleich berücksichtigt. Der SPD-Finanzpolitiker Michael Schrodi bemängelt, dass von Lindners Plänen höhere Einkommen besonders stark profitierten. „Selbst ein Festhalten am jetzigen Satz der Reichensteuer würde diesen Effekt kaum abmildern“, sagte er dem Tagesspiegel.

Der Ökonom Stefan Bach vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat die Wirkung berechnet. Wenn die Einkommensgrenze der Reichensteuer nicht erhöht würde, würden die Betroffenen demnach um 590 Euro im Jahr entlastet statt um 1120 Euro, sollte auch der Reichensteuersatz von einer höheren Summe an wirken. Bei etwa 170000 Personen in der Reichensteuer bedeutet das laut Bach geringere Steuereinnahmen in Höhe von 90 Millionen Euro im Jahr. Der Anteil am Gesamtvolumen der geplanten Steueranpassung wäre also sehr gering.

SPD für direkte Zahlungen

„In der jetzigen Krisensituation ist es wichtig, dass wir Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen gezielt entlasten. Sie sind es, die besonders unter den hohen Energie- und Lebensmittelpreisen leiden“, sagte Schrodi. Er schlägt daher gezielte Direktzahlungen vor, wie sie die Koalition schon mit dem Familienzuschuss oder der Energiepreispauschale auf den Weg gebracht hat. "Es ist notwendig, dass wir eine Debatte über weitere Entlastungsmaßnahmen führen. Unsere Richtschnur für diese Debatte muss es sein, die öffentlichen Gelder so effizient, zielgerichtet und gerecht wie möglich einzusetzen“, betonte der SPD-Politiker. Auch eine relativ stärkere Erhöhung des Grundfreibetrags wäre ein Möglichkeit, untere Gruppen etwas stärker zu entlasten.

Am Wochenende hatte sich schon Familienministerin Lisa Paus (Grüne) entsprechend geäußert und ein höheres Kindergeld ins Gespräch gebracht. Dass soll nach den vorläufigen Zahlen Lindners 2023 um acht Euro auf 227 Euro für die ersten beiden Kinder steigen.

Berechnungen zeigen Wirkung

Nach Bachs Berechnungen entfallen bei einer gleichmäßigen Inflationsanpassung des Steuertarifs knapp zehn Prozent der Entlastungssumme auf die unteren 50 Prozent der erwachsenen Bevölkerung, auf die oberen 20 Prozent dagegen entfielen gut 50 Prozent. Nach einer Studie der Arbeitnehmerkammer Bremen würde eine Inflationsanpassung um sechs Prozent einen Single mit einem Bruttoeinkommen von 40000 um 252 Euro im Jahr entlasten, einen Single, der oder die 80000 Euro verdient, dagegen um 627 Euro. Ein Haushalt mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern mit 40000 Euro im Jahr käme auf eine Entlastung von 316 Euro, bei einem Einkommen von 100000 Euro dagegen um 518 Euro.

Lindner betont dagegen die Breitenwirkung der Inflationsanpassung. "Wir sollten nicht den Fehler machen, vielen Millionen Menschen einen spürbaren und dauerhaften Inflationsausgleich zu verweigern, weil man ihn ein paar wenigen missgönnt"; sagte er dem "Handelsblatt". "Die Gegner nehmen die Mitte der Gesellschaft in Geiselhaft, weil sie die IT-Spezialistin, den Herzchirurg und den Unternehmet am liebsten belasten wollen." Seine Pläne hat er im Etatentwurf für 2023 schon berücksichtigt.

SPD und Grüne nehmen Lindner übel, dass er zuletzt mit deutlicher Ablehnung auf Vorschläge von ihrer Seite reagiert hatte. Zur Forderung nach einer Verlängerung des Neun-Euro-Tickets etwa sagte der FDP-Chef, eine „Gratismentalität“ sei „nicht nachhaltig finanzierbar, nicht effizient und nicht fair“.

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