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Wird es zu einer Bahnreform kommen? FDP und Grüne sind dafür, die SPD dagegen.

© Julian Stratenschulte/dpa

Update

Streit über Ampel-Pläne: Bahn-Zerschlagung „rote Linie“ für EVG – Monopolkommission dafür

Die Gewerkschaft fürchtet einen „Stillstand bei der Verkehrswende“. Ein unabhängiges Beratergremium sieht dagegen Vorteile in der Neustrukturierung.

In der wieder aufflammenden Debatte um eine Neustrukturierung der Deutschen Bahn hat sich die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) erneut gegen eine Zerschlagung des Konzerns ausgesprochen. Ein solcher Schritt „würde einen Stillstand bei der Verkehrswende bedeuten“, teilte der stellvertretende Gewerkschaftsvorsitzende Martin Burkert der Deutschen Presse-Agentur am Freitag mit. „Diese Zeit haben wir nicht. Die Politik muss jetzt die Schiene voranbringen und Geld in die Hand nehmen.“

Die EVG kündigte „massive Proteste“ an, sollte eine künftige Ampel-Koalition in der Bundesregierung den Konzern zerschlagen wollen. „Die Trennung ist für uns eine rote Linie“, teilte Burkert weiter mit.

Zuvor waren am Freitag im Zusammenhang mit den laufenden Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP Forderungen nach einer Zerschlagung des Konzerns laut geworden. Unter anderem die Monopolkommission sowie Bahnwettbewerber hatten sich erneut für eine Trennung von Netz und Betrieb ausgesprochen. Die Bahn äußerte sich auf Anfrage zunächst nicht zu dem Thema.

Diskutiert wurden zwei Modelle, die auf eine Zerschlagung der Bahn in ihrer bisherigen Form hinauslaufen: Der Bereich DB Netze, der die Schieneninfrastruktur, die Bahnhöfe und die Energieversorgung unterhält, soll vom Betrieb der Züge getrennt werden.

In der extremen Variante würde der Infrastrukturbereich in eine gemeinwohlorientierte, öffentliche Gesellschaft abgespalten. Damit blieben in der Konzernzentrale die drei Transportbereiche Regio-, Fern- und Güterverkehr übrig.

Ein gemäßigtes Modell sieht die Bildung einer Holding vor, unter der dann der Netzbetrieb neben dem Zugbetrieb organisiert wäre. Formal bliebe die Einheit des Konzerns erhalten, die Umstrukturierung wäre weniger zeitaufwendig. Die SPD ist gegen eine Aufspaltung, weil sie laut „Spiegel“ fürchtet, dass dann die Arbeitnehmervertretung durcheinander geriete.

Bei der DB kämpfen die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) und die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) um Mitglieder und Einfluss; GDL-Chef Claus Weselsky hatte sich im Sommer für eine Zerschlagung ausgesprochen.

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In der „Süddeutschen Zeitung“ plädierte auch die Monopolkommission, ein unabhängiges Beratergremium, für die Zerschlagung der Bahn. „Die neue Bundesregierung sollte die vertikale Separierung der Deutschen Bahn AG in Angriff nehmen, das heißt eine Trennung der Infrastruktur vom eigentlichen Bahnbetrieb“, sagte der Kommissionsvorsitzende Jürgen Kühling.

Linke warnt einem „Irrweg“

Die DB und ihre Konkurrenten würden dann für die Trassennutzung zahlen. „Ein solcher Schritt wäre relativ einfach zu vollziehen.“

Die Linken-Vorsitzenden Janine Wissler und Susanne Hennig-Wellsow warnten dagegen vor einem „Irrweg“. Schiene und Zugbetrieb gehörten zusammen.

„Wir brauchen keine zwei Gesellschaften mit zwei Vorständen und einen jahrelangen lähmenden Umstrukturierungsprozess, der Tür und Tor zu weiterer Privatisierung öffnet“, sagte Wissler. Nötig seien stattdessen höhere Investitionen in Netz und Betrieb, die Reaktivierung stillgelegter Strecken und bezahlbare Tickets.

Henning-Wellsow warnte vor „Zügen, die nicht mehr aufeinander warten sowie Doppel-, Dreifach-, Vielfachstrukturen bei Buchung, Information und Beschwerdemanagement.“ Der Wettbewerb werde wie so oft vor allem auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen.

„Die Kosten der Züge, der Infrastruktur, der Energie sind ja weitgehend fest. Billigere Angebote kommen vor allem zustande, weil am Personal gespart wird.“

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Die Bedenken der SPD wollen FDP und Grüne ausräumen, indem sie Olaf Scholz und seinen Genossen bei der Besetzung der Bahnspitze entgegenkommen. Für den Job an der Spitze ist nach „Spiegel“-Informationen die von der SPD seit Langem favorisierte, ehemalige Vorstandsvorsitzende der Berliner Verkehrsbetriebe und heutige Güterverkehrs-Vorständin der DB, Sigrid Nikutta, im Gespräch. Nikutta ist auch Wunschkandidatin der EVG

Für den Verkauf der Auslandstöchter plädierte auch der Grünen-Finanzexperte Sven Giegold in der „Rheinischen Post“: „Ich frage mich, ob die Bahn sich mit dem Güterverkehr in aller Welt weiterhin beschäftigen muss. Oder ob sie lieber den Bahnverkehr im Inland und zu den Nachbarländern ausbaut.“ Giegold ist Mitglied der Finanz-Arbeitsgruppe bei den Koalitionsverhandlungen.

[Lesen Sie auch: Den Faden verloren: Warum es bei den Ampel-Verhandlungen jetzt hakt (T+)]

Der Chef des Bahn-Wettbewerbers Flixtrain, André Schwämmlein, spricht sich im Spiegel ebenfalls für eine Aufspaltung aus, sowie für eine dauerhafte Absenkung der Trassenpreise. Kommt es zu einer solchen Bahnreform, will Schwämmlein verstärkt in Flixtrain investieren. Durch die Trennung von Infrastruktur und Betrieb haben andere Länder erfolgreich Wettbewerb auf die Schiene gebracht.

„Wir könnten schon 2022 unser Angebot ausweiten, indem wir beispielsweise auf unseren bestehenden Strecken mehr Fahrten anbieten", sagt Schwämmlein im „Spiegel“. „Entscheidender aber ist das Signal, dass es sich lohnt, auch in neue Züge zu investieren.“ (Tsp, AFP)

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