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Guatemala: Ex-Diktator Rios Montt wegen Völkermords angeklagt

Der General soll für den Tod von mehr als 1700 Menschen verantwortlich sein.

Rio de Janeiro - Der Bürgerkrieg in Guatemala zählt zu den brutalsten Konflikten in der Geschichte Lateinamerikas. Der blutige Konflikt zwischen vier linken Guerillaorganisationen und der guatemaltekischen Regierung dauerte von 1960 bis 1996. In dieser Zeit wurden Schätzungen zufolge mindestens 200 000 Menschen getötet, 83 Prozent davon Angehörige der indigenen Maya-Bevölkerung. Seit Dienstag muss sich nun der ehemalige Diktator und Armeegeneral Jose Efrain Rios Montt für Verbrechen während seiner Regierungsjahre zwischen März 1982 und August 1983 vor Gericht verantworten: Dem 86-Jährigen wird vorgeworfen, Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben. Konkret geht es um um den Mord an 1771 Angehörigen der Ixiles, einer Untergruppe der Maya. Sie wurden in rund 15 Massakern umgebracht, die die Armee im Departement Quiché im Norden des kleinen zentralamerikanischen Landes verübte. Rund 30 000 Menschen wurden vertrieben. Nach Ansicht des vorermittelnden Gerichts liegen stichhaltige Beweise und Aussagen vor, die einen Prozess rechtfertigen und damit eine Aufarbeitung eines der dunkelsten Kapitel des Landes ermöglichen.

Es ist das erste Mal, dass ein ehemaliges Staatsoberhaupt in Lateinamerika wegen Genozids angeklagt ist. Während seiner Regierungszeit wurde Rios Montt, der sich im März 1982 an die Macht putschte, von der US-Regierung unterstützt. Diese bildete auch Offiziere der guatemaltekischen Armee im Antiguerillakampf aus. Jahrzehntelang war Guatemalas Führung nicht bereit, Untersuchungen gegen hochrangige Militärs und Regierungsmitglieder zuzulassen. Rios Montt selbst war 15 Jahre lang Kongressabgeordneter. Vergangenes Jahr wurde der evangelikale Christ dann nicht wiedergewählt und verlor seine Immunität.

Hinter der Entscheidung, Rios Montt nun vor Gericht zu stellen, stecken offenbar erneut die USA. Der US-Kongress hat Militärhilfe an die Bedingung geknüpft, dass Guatemala sein Justizsystem reformiert und die Straffreiheit beendet. Der jetzige Präsident Otto Pérez Molina will unbedingt Waffen aus den USA kaufen. Das Land wird zurzeit von den mexikanischen Drogenkartellen übernommen, in einigen Regionen gibt es soziale Unruhen. In beiden Fällen setzt Pérez Molina – ein Ex-General, der selbst an Massakern beteiligt gewesen sein soll – auf die Armee.

Menschenrechtsgruppen begrüßten die Entscheidung, gegen Rios Montt zu ermitteln. „Es ist beachtlich, dass ein ehemaliger Staatschef in einem Land vor Gericht gestellt wird, in dem Straffreiheit für begangene Grausamkeiten die Norm war“, sagte José Miguel Vivanco, Chef der Amerikasektion von Human Rights Watch. Er hofft, dass auch andere Verantwortliche zur Rechenschaft gezogen werden.

Doch der Prozess gegen Rios Montt dürfte nicht einfach werden, weil es gilt, seine direkte Verantwortung nachzuweisen. Nach der Entscheidung für den Prozess Anfang des Jahres hatte eine Gruppe von Angehörigen der Opfer der Massaker auf der Straße vor dem Gerichtsgebäude Kerzen entzündet. Drinnen wurde der Ex-Diktator von 15 Militärs begrüßt: „Achtung, stillgestanden!“ Sie repräsentieren die alten Eliten des Landes aus Großgrundbesitzern, US-Unternehmern und Militärs. Phillipp Lichterbeck

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