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Das Archivbild von 1986 zeigt Günter Pfitzmann als Dr. Brockmann in der TV-Serie "Praxis Bülowbogen".

© dpa

Günter-Pfitzmann-Straße in Berlin-Schöneberg: Die Macht der Straße

Ob ein System despotisch veranlagt ist oder eher duldsam, merkt man auch daran, mit welchem Ehrgeiz es den Stadtplänen seinen Stempel aufdrückt. In Berlin sollen mancherorts Straßen nur Frauennamen tragen. Ein Kommentar.

Straßennamen sind immer eine Machtfrage gewesen. Erst heißen die Straßen nach Kaiser Wilhelm und Bismarck, dann heißt jeder dritte Platz Adolf-Hitler-Platz, bis plötzlich, schwuppdiwupp, jeder dritte Platz nach Ernst Thälmann und nach Lenin benannt wird. Ob ein System despotisch veranlagt ist oder eher duldsam, merkt man auch daran, mit welchem Ehrgeiz es den Stadtplänen seinen Stempel aufdrückt. Die wichtigsten Ikonen der wichtigsten BRD-Parteien hießen Konrad Adenauer und Willy Brandt. Es gibt relativ wenige Adenauer- und Brandt-Straßen, wenn man es mit den Wilhelm-, den Hitler- und den Thälmannstraßen vergangener Systeme vergleicht.

Jetzt sollen in diversen Berliner Bezirken Straßen nur noch nach Frauen benannt werden. Dass Frauen in Zukunft bei den Benennungen bevorzugt werden sollten, ist gerecht und vernünftig, sogar dem alten weißen Mann leuchtet das ein. Es ist die Formulierung „nur noch“, an der man den Dogmatismus erkennt. Ein Mann soll im Berlin der Zukunft etwa die gleichen Chancen auf einen Straßennamen besitzen wie, sagen wir mal, Alice Schwarzer in Saudi-Arabien.

Das aktuelle Beispiel ist der Schauspieler Günter Pfitzmann. Es gibt nicht viele Schauspieler, die so eng mit Berlin verbunden waren und die von den Berlinern so ins Herz geschlossen wurden wie Pfitzmann, der Held des „Havelkaisers“ und von „Praxis Bülowbogen“. In Schöneberg sind, weil Pfitzmann ein Mann war, die SPD und die Grünen dagegen, dass eine Straße nach ihm benannt wird.

Im Falle des Philosophen Mendelssohn hat man in Berlin die Lösung gefunden, dessen Ehefrau mit aufs Straßenschild zu heben. Pfitzmanns Witwe Lilo lebt noch.

Was würde die Schöneberger SPD tun, wenn Willy Brandt ein paar Jahre später gestorben wäre und sich nun die Frage stellen würde, ob es in Schöneberg einen Willy-Brandt-Platz geben darf? Ja, was würdet ihr tun, Genossen?

Mich ärgert, dass diese Sache so offen ungerecht ist. Dieser Mensch hat eine Straße verdient, sie ihm aus ideologischen Gründen zu verweigern, berührt das elementare Gerechtigkeitsgefühl jedes anderen Menschen, sofern er oder sie eines besitzt. Kann man vergangene Ungerechtigkeiten tilgen, indem man neue begeht? Das ist eine Idee, auf die sich sonst eher totalitäre Regime berufen.

Die denken so: Die Kapitalisten, die Kommunisten, die Weißen, die Juden, die Christen, die Männer oder sonst wer hat uns unterdrückt – manchmal stimmt es, manchmal ist es nur eine fixe Idee. Zur Strafe machen wir die jetzt zu Menschen zweiter Klasse. Sie finden den Vergleich überzogen? Ein Straßenname sei doch nur eine Kleinigkeit? Stimmt. Aber Konfuzius sagt: Auch der weiteste Weg beginnt mit einem ersten Schritt.

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