zum Hauptinhalt
Günter Kaufmann.

© dpa

Günther Kaufmann gestorben: Ein Leben wie ein Film

Er war Fassbinders Liebling und als Bösewicht so überzeugend, dass er unschuldig in Haft kam. Zum plötzlichen Tod des Schauspielers Günther Kaufmann.

Zuletzt hat er den Kinderschreck gegeben. Als „schrecklicher Sven“ in den beiden „Wickie“-Kinofilmen war Günther Kaufmann eine Idealbesetzung. Er thronte als dickwanstiger, filzhaariger und augenrollender Häuptling auf dem Deck eines Wikingerschiffes, balancierte drohend einen Morgenstern in der Hand, und wenn er dann sehr laut und mit bayrischem Akzent brüllte: „WERRRR hat MEINNNEN Schatz GEKLAUT?!“, bekamen nicht nur die sechsjährigen Zuschauer Angst, sondern auch deren Eltern. Als Bösewicht wirkte Kaufmann überzeugend, und das zu seinem Pech nicht nur vor der Kamera.

Bevor ihm mit den Wickie-Filmen ein Comeback gelang, hatte der Schauspieler mit einem Beziehungs- und Gerichtsdrama Schlagzeilen gemacht. Im Jahr 2002 war er wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung mit Todesfolge zu 15 Jahren Haft verurteilt worden.

Es ging um 500 000 Euro und Kaufmanns Steuerberater, der erstochen in seiner Villa lag. Als der Schauspieler drei Jahre Haft abgesessen hatte, kam heraus, dass er nichts mit der Tat zu tun hatte. Seine Frau hatte drei Auftragskiller engagiert, und Kaufmann legte ein Geständnis ab, um sie zu schützen. Ein vermeintlicher Mörder als freiwilliger Sündenbock. „Alexandra hätte nicht einmal eine Stunde Vernehmung überstanden. Ich wollte ihr das ersparen, weil sie todkrank war“, sagte er. Die Frau war an Krebs erkrankt und starb sechs Wochen vor Prozessbeginn. Blieb Kaufmann bei seiner Aussage, um ihren Ruf auch posthum zu retten? Schwer zu sagen, denn – auch das kam heraus – einer der Täter war ihr Geliebter.

Das Leben von Günther Kaufmann in Bildern

Das Leben von Günther Kaufmann war voller solcher melodramatischer Verstrickungen. Der deutsch-türkische Regisseur Adnan Köse will aus diesem Leben einen Film machen. Seine Autobiografie hatte Kaufmann „Der weiße Neger vom Hasenbergl“ genannt. Hasenbergl ist der Münchner Arme-Leute-Bezirk, in dem der uneheliche Sohn einer weißen Deutschen und eines schwarzen US-amerikanischen Soldaten aufwuchs. Er absolvierte eine Lehre als Drucker und fuhr auf der Gorch Fock, dem Ausbildungsschiff der Deutschen Marine, zur See. Schauspieler wurde er eher zufällig. 1970, mit 23 Jahren, bekam er eine Komparsenrolle in Volker Schlöndorffs Verfilmung von Brechts „Baal“. Der Hauptdarsteller fand Gefallen an Kaufmann. Dessen Name: Rainer Werner Fassbinder.

„Aber ich kann doch gar nicht spielen“, sagt Kaufmann, als Fassbinder ihm eine Rolle im Film „Götter der Pest“ gab. „Das bring’ ich dir schon bei“, entgegnet Fassbinder. Kaufmann steigt rasch zum unentbehrlichen Mitglied von Fassbinders berühmt-berüchtigter Film- und Theatertruppe auf. Und ist zeitweilig der Geliebte des Regisseurs, der ihn „meinen bayrischen Neger“ nennt. „Kaufmann wurde zum Mittelpunkt in Fassbinders Handlungen und Gedanken“, schreibt der Schauspieler Kurt Raab in seinen Memoiren. „Um ihn ständig an sich zu binden, ihm keine Möglichkeit zu geben, zu Frau und Kind nach Hause gehen zu können, setzte er ihn in jedem der folgenden Filme ein.“

„Ich bin nicht schwul, diesen Gefallen konnte ich Fassbinder nicht tun“, erzählte Kaufmann später der „Süddeutschen Zeitung“. War er bisexuell, wie Mitglieder der Fassbinder-Truppe behaupten? „Er hielt Fassbinder auf Distanz, ohne sich wirklich von ihm zu entfernen“, so Raab. „Er wollte immer das mächtige Spiegelbild unerfüllter Liebe sein.“ 14 Filme macht Kaufmann mit Fassbinder bis zu dessen Tod 1982. Seine stärksten Auftritte hat er als gedemütigter Südstaaten-Hausdiener im Anti-Western „Whity“, als GI in „Lola“ und als Bordellchef in Fassbinders letztem Film „Querelle“. Kaufmann arbeitet mit Peter Zadek, Hans-Jürgen Syberberg und Otto, dreht regelmäßig „Derrick“ und „Der Alte“-Folgen. Filmkunst? Trash? Egal.

Am Donnerstag ist Günther Kaufmann bei einem Spaziergang am Hagenplatz im Berliner Stadtteil Grunewald zusammengebrochen. Herzinfarkt. Ein Passant und ein Notarzt versuchten vergebens, ihn zu reanimieren. Er wurde 64 Jahre alt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false