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Günther Oettinger, 61, ist seit 2014 EU- Kommissar für Digitale Wirtschaft und Gesellschaft. Zuvor war der CDU-Politiker Kommissar für Energie.

© dpa

Günther Oettinger im Interview: „Griechenland hat die Talsohle durchschritten“

EU-Kommissar Günther Oettinger über Vertrauen der Europäischen Union in die linke griechische Regierung und das neue Hilfsprogramm für Athen.

Herr Oettinger, der Bundestag wird voraussichtlich einer Verlängerung des Hilfsprogramms für Griechenland zustimmen. Ist Griechenland dann über dem Berg?

Die griechische Regierung hat angekündigt, auf einige bislang vorgesehene Maßnahmen zur Entlastung des Haushalts zu verzichten und einiges auf den Prüfstand zu stellen. Aber umgekehrt muss sie Vorschläge für neue Sparmaßnahmen anbieten. Wolfgang Schäuble und die anderen Finanzminister der Euro-Zone werden darauf achten, dass dies eins zu eins umgesetzt wird und auch belastbar ist. Insoweit bleibt das Verfahren spannend. Im Augenblick zeigt Griechenland in diesem Verfahren Einsicht. Ob die Regierung in Athen dieser Einsicht auch Taten folgen lässt, bleibt abzuwarten.

Was muss Griechenland Ende April liefern – lediglich eine detailliertere Reformliste oder die Umsetzung einiger versprochener Maßnahmen?

Beides. Was Athen kurzfristig machen kann, sollte bis dahin umgesetzt werden. Einige der vom griechischen Finanzminister Yanis Varoufakis versprochenen Reformen müssen gesetzlich in Athen vorbereitet werden. Hinzu kommt, dass wir im April wissen, wie sich die Einnahmen des griechischen Staates im ersten Quartal insgesamt entwickelt haben. Dann ergibt sich ein klareres Bild, ob der Einbruch bei den Steuereinnahmen während des Wahlkampfes nur vorübergehend war oder nicht.

Hat es überhaupt noch Sinn, Griechenland Geld zu geben?

Es macht keinen Sinn, auf halbem Wege stehenzubleiben. Wir haben uns entschieden, dass Griechenland in der Euro-Zone bleiben soll und Garantien und Hilfspakete bekommt. Deshalb helfen wir Athen. Es ist einiges erreicht worden. Griechenland hat die Talsohle durchschritten. Jetzt schlapp zu machen, wäre falsch.

Hat die Dauerhilfe für Griechenland nicht auch politische Gründe? Will die EU verhindern, dass Griechenland im Fall eines Austritts aus der Währungsunion auch außenpolitisch abdriften würde – mit fatalen Folgen in dieser unruhigen Weltregion?

Das kann man nicht voneinander trennen. Sicher hat die Hilfe für Griechenland zunächst einmal währungspolitische Gründe. Aber darüber hinaus ist die Europäische Union auch eine Wertegemeinschaft. Der Euro ist die Währung der Europäischen Union, und es werden mittelfristig noch weitere Länder dem Euro beitreten. Deshalb wäre ein Austritt Griechenlands aus der Euro-Zone genau das falsche Signal.

Umgekehrt kann man argumentieren, dass der Euro und die gemeinsamen Regeln in der Währungsunion gestärkt würden, wenn Griechenland als Sonderfall die Gemeinschaftswährung verlassen würde.

Wenn die neue Regierung in Athen bei ihrer anfänglichen harten Linie geblieben wäre, dann hätte es dazu kommen können. Da sie aber eingeschwenkt ist und die Regeln im Augenblick akzeptiert, sollte man nicht über den „Grexit“ spekulieren, sondern den Bestand der Euro-Zone im Interesse aller Mitglieder sichern.

Die griechische Regierung erhält also von den Europäern einen Vertrauensvorschuss, ohne dass es eine Garantie dafür gibt, dass sie sich an das bisherige Hilfsprogramm halten wird?

Wir bringen jeder gewählten Regierung Vertrauen entgegen und respektieren das Wählervotum. Diese Wahl ist ein Ausdruck der Demokratie. Aber das Eis, auf dem sich die Regierung bewegt, ist dünn. Deswegen muss sie sich bewähren. Das wird bis Ende April nicht nur möglich, sondern auch notwendig sein.

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