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Günther Oettinger: ''Kinderkrippen sind keine Bundessache''

Baden-Württembergs Ministerpräsident rät im Gespräch mit dem Tagesspiegel Berlin zur Konzentration und erklärt die CSU-Schlappe.

Die CSU hat vor einer Woche krachend die bayerische Landtagswahl verloren. Was lernt die CDU daraus?

Für den Wahlausgang gab es sehr viele Gründe. Die meisten davon liegen in Bayern selbst. Die Bayern haben über die Politik in Bayern abgestimmt. Die Bundespolitik hat nur eine geringe Rolle gespielt. Richtig ist: Man darf den Menschen nicht versprechen, was man nicht halten kann. Steuersenkungen und eine Rücknahme der Entscheidung zur Pendlerpauschale sind zwar populär. Aber die Menschen kennen die wirtschaftliche Lage besser und halten solche Versprechen nicht für realistisch.

Kann man mit Steuersenkungen noch Wahlen gewinnen?

Die Senkung von Steuern und Abgaben wird immer ein Wahlkampfthema sein. Aktuell gilt jedoch: Steuersenkungen anstreben, aber nicht auf Pump finanzieren. Bevor die Steuern sinken dürfen, müssen drei Bedingungen erfüllt sein: Alle öffentlichen Hände machen keine Schulden mehr, der Bund kann seine Pflichtaufgaben erfüllen, und es ist genug Geld im Bundeshaushalt, um die Begrenzung der Lohnnebenkosten auf 40 Prozent zu finanzieren. Wenn alle Bedingungen erfüllt sind, sollten die Grundfreibeträge angehoben und der Tarifverlauf abgeflacht werden.

Ist das Ziel eines ausgeglichenen Bundesetats 2011 angesichts der Krise überhaupt zu halten?

Ja. Wir dürfen das Ziel nicht aufgeben, sonst werden die Bemühungen, den Staatshaushalt strukturell zu sanieren, sofort erlahmen. 2011 ist machbar, wenn es nicht zu außergewöhnlichen Belastungen aus der Finanzkrise und einer Rezession kommt. Allerdings darf die Finanzmarktkrise nicht zur Entschuldigung dafür genutzt werden, die Konsolidierung aufzugeben.

Die aktuellen Konjunkturprognosen lassen auf sinkende Einnahmen schließen. Muss dann zur Einhaltung des Haushaltsausgleichs gespart werden?

Wenn die Steuerschätzung im November auf sinkende Einnahmen hinweist und das Ziel nur mit Sparen zu halten ist, dann muss es auch Sparrunden geben.

Im Wahlkampf sind Sparvorschläge wenig populär. Zumal, wenn gleichzeitig Milliarden zur Bankenrettung verwandt werden.

Der Haushaltsausgleich ist das wichtigste Ziel der großen Koalition. Jeder wird sich an diesem Markenzeichen messen lassen müssen.

Machen Sie einen ersten Sparvorschlag?

Grundsätzlich gilt: Der Bund sollte keine Schutzzäune ziehen und überall sparen. Bei den Stellenplänen genauso wie bei Sozialleistungen. Vor allem jedoch muss sich der Bund auf seine Kernaufgaben konzentrieren. Im Bereich von Bildung, Betreuung und Erziehung etwa sollte der Bund nicht in freiwillige Förderprogramme investieren, sondern sich dort konzentrieren, wo er verantwortlich ist. Etwa bei der Großforschung.

Sie fürchten, der Bildungsgipfel wird Ihre Kompetenzen beschneiden?

Ich halte den Gipfel für sinnvoll. Allerdings rate ich dem Bund, sich auf seine Pflichtaufgaben zu konzentrieren. So etwas wie die Milliardenprogramme zum Ausbau von Ganztagsschulen und Kinderkrippen gehören nicht dazu. Länder und Kommunen müssen diese Aufgaben wahrnehmen, und sie können es auch. Die Vereinbarung zum Ausbau der Krippenplätze steht jetzt, und ich werde sie nicht infrage stellen. Aber ich sage auch: Das ist unsere Aufgabe, und wir sind finanziell in der Lage, sie zu erfüllen. Das Förderprogramm des Bundes nehmen wir gerne mit. Aber es war nicht zwingend notwendig. Und nun, da die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen schlechter werden, sollte der Bund auf Förderprogramme verzichten, die nicht nötig sind.

Morgen werden die Koalitionspartner über den Beitrag zur Krankenversicherung beraten. Wie hoch darf er sein?

Das Ziel der großen Koalition, die Sozialbeiträge unter 40 Prozent zu halten, muss eingehalten werden. Der Beitrag zur Arbeitslosenversicherung wird deshalb mindestens auf 2,8 Prozent sinken müssen. Beide Ziele – die 40 Prozent und die Haushaltssanierung – sind gleichberechtigte Ziele, deren Einhaltung anderes untergeordnet werden muss.

Sie meinen die Anhebung des Kindergeldes und des Steuerfreibetrages für Kinder?

Ich stehe zu beidem. Allerdings erwarte ich, dass die Anhebung dieser Leistungen unter einen Finanzierungsvorbehalt gestellt wird. Nur wenn nach der Steuerschätzung klar ist, dass sich der Bund das auch leisten können wird, können wir zusätzliche Familienleistungen auszahlen.

Erwarten Sie, Herr Oettinger, nach dem jahrelangen Streit, dass es bis Ende Dezember ein neues Erbschaftsteuerrecht gibt?

Ja. Ich hoffe, sowohl SPD als auch Union werden sich nach einigen Nachbesserungen rasch auf einen Kompromiss einigen. Alles andere wäre unverantwortlich. Wir können es uns nicht leisten, auf die Einnahmen aus dieser Steuer zu verzichten.

Das Gespräch führte Antje Sirleschtov

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