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Politik: Güterverkehr: Die europäische Schiene - Warum Brüssel den Bahnverkehr liberalisieren will

Die Verkehrsminister der EU werden am heutigen Mittwoch in Luxemburg über Konsequenzen der Erdölkrise für die europäische Transportindustrie nachdenken. Eigentlich wäre Brüssel als Veranstaltungsort an der Reihe gewesen.

Die Verkehrsminister der EU werden am heutigen Mittwoch in Luxemburg über Konsequenzen der Erdölkrise für die europäische Transportindustrie nachdenken. Eigentlich wäre Brüssel als Veranstaltungsort an der Reihe gewesen. Doch Belgiens Regierung hatte aus Angst vor Protesten von Transportunternehmern um Verlegung gebeten. Bundesverkehrsminister Klimmt hat sein Kommen zugesagt, denn es wird hauptsächlich um ein sehr drängendes Problem gehen: um die Alternative zum Gütertransport auf der Straße. Noch immer sind Lkw-Transporte aufgrund ihrer Zuverlässigkeit die am stärksten nachgefragte Frachtform.

Innerhalb der EU wird angestrebt, die Schienennetze für neue Anbieter der Bahnfracht zu öffnen. Bisher scheitert dieses Ziel weitgehend daran, dass der Schienenverkehr immer noch fast ausschließlich national organisiert ist und Infrastrukturverwalter und Bahntransporteure weitgehend identisch sind. So wird verhindert, dass neue Betreiber zum Zug kommen. Auf europäischer Ebene ist umstritten, wie der Schienenverkehr liberalisiert werden kann. Im Dezember will der Rat immerhin Maßnahmen beschließen, mit denen die Funktionen von Schienennetzbetreibern und Anbietern von Frachtverkehrsdiensten geklärt werden. Sie sollen in Europa zur Liberalisierung des Schienennetzes für den Frachtverkehr bis 2005 führen.

Abgelehnt wird im Rat und teilweise auch in der Kommission jedoch ein Vorschlag des Europäischen Parlamentes, der die Liberalisierung des gesamten europäischen Schienenverkehrs bis zum Jahr 2010 zum Ziel hat. Deshalb wird der Verkehrsrat dazu weder am Mittwoch noch im Oktober zu einem Ergebnis kommen.

Gemeinsame EU-Verkehrspolitik

Das wiederum gefällt der Grünen-Europaabgeordneten Heide Rühle überhaupt nicht. Sie griff am Dienstag in Brüssel die Verkehrspolitik der Europäer scharf an. Die Ölpreis-Misere, in der die Europäer nun stecken, ist nach Ansicht Rühles nicht nur den Ölscheichs anzulasten, sondern geht zum erheblichen Teil auch auf die verfehlte Verkehrspolitik der EU zurück. Rühle beklagte die Fehlentwicklungen auf Europas Straßen und Schienen: In den vergangenen 20 Jahren habe sich der Gütertransport immer mehr von der Schiene auf die Straße verlagert. Die Grüne will deshalb die gemeinsame EU-Verkehrspolitik stärker einspannen, um dieser Entwicklung gegenzusteuern. Sie könnte sich zum Beispiel vorstellen, dass die Regierungen die Mehrwertsteuer auf den Bahntransport halbieren, um die Schiene wieder konkurrenzfähiger zu machen.

Auch beim Ausbau der so genannten Transeuropäischen Netze sollten die Europäer, so fordert Heide Rühle, wieder mehr auf die Schiene setzen als auf die Straße. Künftig solle man 55 Prozent der Mittel in den Ausbau oder die Erneuerung der Schienennetze stecken, in die transeuropäischen Straßen dagegen höchstens 25 Prozent. Dass bei der angestrebten Umstrukturierung des Verkehrs das "in den vergangenen Jahren aufgeblasene Transportgewerbe" Federn lassen muss, ist ihrer Ansicht nach unvermeidlich. "Es kommt eine Strukturkrise auf uns zu", räumt die Grüne ein. Denn voraussichtlich werden die Ölpreise nicht mehr sinken. Die Nachfrage nach dem knapper werdenden Rohöl werde weiter steigen, wenn die Wirtschaft in den Tigerstaaten Südostasiens und in China sich so rasant weiterentwickelt wie bisher.

Die Grüne warnt davor, unter dem Druck der Ölländer in Europa wieder mehr auf die Atomenergie zurückzugreifen. Die vernünftige Alternative sei eine konsequente Politik des Energiesparens. Die Forschung müsse sich wieder mehr auf das Benzin sparende Auto konzentrieren.

Mariele Schulze Berndt[Thomas Gack]

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