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Politik: Gut gemeint ist nicht genug

Von Clemens Wergin

Gestern hat Iran den Rubikon überschritten und Urangas in seine Anreicherungszentrifugen eingeleitet. Sollten die Mullahs die riesige Anlage in Natans voll in Betrieb setzen, dann – davor hat der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde, Mohammed al Baradei, erst kürzlich wieder gewarnt – könnten sie in ein paar Monaten genug angereichertes Uran für eine Atombombe besitzen. Die Lage ist also äußerst ernst. Und angesichts der Geschwindigkeit, mit der Teheran auf dem Weg zur Bombe voranschreitet, wird noch einmal deutlich, wie schneckenlangsam sich die Diplomatie in dieser Frage bewegt.

Teheran hat auch die für Donnerstag angesetzten Gespräche über den russischen Kompromissvorschlag abgesagt. Das zeigt, wie kurz die Hebel der Diplomatie sind angesichts eines Ölpreises von konstant um 60 Dollar pro Barrel. Russlands zumindest zwiespältige Iranpolitik wie auch Chinas enormer Energiehunger werden weiter dafür sorgen, dass die Angelegenheit vor dem UN-Sicherheitsrat nur schleppend vorankommt.

Umso erstaunlicher, dass sich ein wichtiges Land im Herzen Europas gerade jetzt einen Streit über das richtige Vorgehen gegenüber Iran leistet. Nach Angela Merkels entschiedenen Worten auf der Münchner Sicherheitskonferenz gehen Teile der SPD auf Distanz. Parteichef Matthias Platzeck will gar die militärische Option vom Tisch haben, was jene Slogans in Erinnerung ruft, mit denen Gerhard Schröder versuchte, im Wahlkampf zu punkten. Da sucht einer nach Profil und glaubt, es in der Außenpolitik finden zu können. Platzeck bringt Deutschland so aber in Gefahr, die falschen Signale nach Teheran zu senden. Denn eines ist klar: Wenn die Mullahs nur die geringste Chance wittern, Teile des Westens gegeneinander auszuspielen, werden sie diese auch ergreifen.

Dabei hat die Kanzlerin zum weiteren Vorgehen gegenüber Iran wenig Anrüchiges gesagt. Genau wie die SPD hat Merkel dafür plädiert, den diplomatischen Weg zur Gänze auszureizen. Angesprochen darauf, was passiert, wenn die Diplomatie scheitert, war sie in München ausgewichen: Sie halte nichts davon, am Anfang eines solchen Prozesses immer schon den Endpunkt zu definieren. Das ist keineswegs die „Militarisierung des Denkens“, von der Außenminister Frank-Walter Steinmeier nun so gerne spricht, sondern es ist das klügste, was man im Moment machen kann: eine gewisse Ambivalenz in Sachen Militärschläge beizubehalten.

Wer wie Platzeck die militärische Option von vornherein ausschließt, nimmt ein weiteres der ohnehin spärlichen politischen Druckmittel vom Tisch, die die Weltgemeinschaft gegenüber Iran noch besitzt. Das mag zwar bei manchen gut ankommen, allerdings würde es das Gegenteil von dem bewirken, was eigentlich gemeint ist. Denn wer sich im Streit mit Iran der letzten Druckmittel beraubt, erschwert eine politische Lösung, anstatt sie zu befördern. Und er macht damit amerikanische oder israelische Militärschläge gegen iranische Atomanlagen als Ultima Ratio wahrscheinlicher.

Ein atomar bewaffneter Iran wäre eine enorme Bedrohung nicht nur für Israel, sondern für ganz Europa. Diese Bedrohung abzuwenden hat sich Europas Diplomatie seit drei Jahren intensiv und erfolglos bemüht. Wenn Matthias Platzeck neue Ideen zur Lösung dieses Konfliktes beitragen kann, die bisher noch niemand hatte, dann soll er sie kundtun. Für populistische Profilsuche ist dieses Thema aber gänzlich ungeeignet.

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