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Phantomschmerz bei der CSU. Bayerns Ministerpräsident Seehofer hielt auch deshalb viel von dem ehemaligen Verteidigungsminister Guttenberg, weil dessen Lichtgestalt von den Fehlern des CSU-Chefs ablenkte.

© REUTERS

Guttenberg vor Ermittlungsverfahren: Dichtung und Wahrheit

Während die CSU Guttenberg als Helden verklärt und damit ihre innere Leere überspielt, steht der Ex-Minister vor einem Ermittlungsverfahren. Auch die Uni Bayreuth möchte ihm nun offenbar bewusste Täuschung vorhalten.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Als Karl-Theodor zu Guttenberg am Donnerstagmorgen seine Entlassungsurkunde aus den Händen des Bundespräsidenten entgegennahm, war den anwesenden CDU-Mitgliedern der Schmerz über den Verlust des populären Politikers schon deutlich anzumerken. Sehr ernst blickte die CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel und drückte mehrmals seine Hand. Beinahe überschwänglich klopfte auch der sonst eher zurückhaltende Amtsnachfolger Thomas de Maizière (CDU) Guttenbergs Schulter. Und selbst Christian Wulff, Staatsoberhaupt mit CDU-Parteibuch, fand – außerhalb des Protokolls – persönliche Worte für den Scheidenden. „Ausdrücklich“ wolle er ihm „Respekt zollen“, sagte Wulff und wünschte für die Zukunft „neuen Erfolg“.

Wie groß der Phantomschmerz in der CSU, der Partei des ehemaligen Verteidigungsministers, ist, davon konnte man etwas später einen Eindruck erhalten. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer selbst kam nach Berlin, zunächst einmal, um das tags zuvor aufgekommene Gerücht zu zerstreuen, die bayerische Volkspartei habe nach dem Abtritt Guttenbergs an ihrer Spitze noch nicht mal einen Kandidaten gefunden, der freiwillig Innenminister werden will, geschweige denn jemanden auftreiben können, dem man das wichtige Amt des Verteidigungsministers hätte übergeben können. Dies sei alles Quatsch, wiegelte Seehofer ab. „Wie auf den Leib geschneidert“ sei seiner Partei das Innenressort. Und der CSU-Vorsitzende flunkerte dann ein bisschen, als er sagte, dass der neue Amtsinhaber Hans-Peter Friedrich bei den Personalgesprächen „von der ersten Sekunde an dabei und immer auch erste Wahl gewesen“ sei.

Wer ermessen will, welche Lücke Guttenberg in der CSU reißt, muss sich vor allem mit der emotionalen Kraft des fränkischen Politik-Helden beschäftigen. Seehofer schätzte sie vor allem deshalb, weil sie ein Stück auf ihn abstrahlte, beziehungsweise seine eigenen Fehler in weniger grellem Licht erscheinen ließ. Diese Kraft der Suggestion will Seehofer möglichst retten. „Einer der genialsten Köpfe der Politik“ sei Guttenberg gewesen, lobte er und beschwor sogleich die immer fortwährende Verbundenheit mit dem Genius: „Er ist einer von uns und bleibt einer von uns.“ Zu guter Letzt zeichnete der CSU-Chef sogar ein Bild von der Rückkehr des fränkischen Freiherrn. Beinahe so, als sei der, wegen einiger Nichtigkeiten aus dem Amt gedrängt, in Kürze voll rehabilitiert und werde sehr bald – einer politischen Auferstehung gleich – der CSU wieder zur Verfügung stehen. „Alles“ könne er sich vorstellen, sagte Seehofer, und dass die Rückkehr des Freiherrn in „meinem ureigensten Interesse“ sei.

In einem gewissen Gegensatz zu den Lobpreisungen auf den Ex-Verteidigungsminister steht allerdings die Nachricht, dass Guttenberg nach dem Verzicht auf seine politischen Ämter vor einem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft steht – die Staatsanwaltschaft Hof wird gegen Guttenberg ein offizielles Ermittlungsverfahren eröffnen. „Das wird eingeleitet, da gibt es kein Wenn und kein Aber“, sagte Oberstaatsanwalt Reiner Laib der Nachrichtenagentur dpa. Möglich werden die Ermittlungen durch Guttenbergs Verzicht auf sein Abgeordnetenmandat, den er in einem Brief an den Bundestagspräsidenten Norbert Lammert (CDU) bekannt gab. Hinzu kommt, dass die Universitätskommission zur Untersuchung der Plagiatsvorwürfe seine umstrittene Doktorarbeit nach einem Bericht des Magazins „Stern“ vom Donnerstag als Täuschung einstufen wird.

Trotzdem stricken die Christsozialen unverdrossen an der Legende vom bayerischen Helden Guttenberg, der in seinem Amt vielleicht durchgehalten hätte, wenn alle in der Union so tapfer wie Seehofer zu ihm gestanden hätten. Zu dieser Legende gehört allerdings noch ein Schuldiger. Einer, den Seehofer in der „politischen Familie“ ausgemacht hat: die CDU. „Mangelnde Solidarität“ sei es, schimpfte er über Äußerungen von Lammert und Bildungsministerin Annette Schavan (CDU). Den beiden Politikern unterstellte Seehofer – wenn auch nicht direkt –, sie hätten Guttenberg in seiner schwersten Stunde die Rückendeckung entzogen, weshalb ihn schließlich die Kräfte verlassen hätten.

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