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Guttenbergs Abschied: Letzter Beifall für einen Vielumjubelten

Ortstermin: Robert Birnbaum wünscht dem Verteidigungsminister a.D. Karl-Theodor zu Guttenberg die Fähigkeit zu aufrichtiger Buße.

Von Robert Birnbaum

Der Wind bläst kalt über den Appellplatz, facht die Fackeln in den Händen der Soldaten an wie ein Blasebalg, und überhaupt ist so ein Großer Zapfenstreich naturgemäß kein froher Anlass – aber jetzt muss der junge Mann da vorne auf dem Pult doch lächeln. Karl-Theodor zu Guttenberg hat sich zum Abschied „Smoke on the Water“ von Deep Purple gewünscht. Man soll es nicht für möglich halten, aber Richie Blackmores legendäres Gitarrenriff rockt sogar noch in der Version für uniformierte Blechbläser. Was die Wunschmelodie symbolisch aussagen solle, hat Guttenberg vorher beim Abschiedsempfang im Bendlerblock gesagt, darüber sollten sich doch ironiebegabte Leitartikler verbreiten. Der Teil des Wunschs wird eher nicht in Erfüllung gehen. Denn auch die Zeit der Leitartikel über Guttenberg ist vorbei.

Sein Nachfolger Thomas de Maiziere hat das in seiner direkten Art gleich zu Beginn seiner Laudatio klargestellt. „Das ist ein Abschied“, hat der neue Verteidigungsminister gesagt und eine kleine Pause gemacht, damit der Satz seine Wirkung entfalten konnte, „ein großer, ein schmerzhafter, ein würdiger Abschied.“

De Maiziere hat überhaupt eine kluge Rede vorbereitet. Er würdigt an dem knapp zweijährigen Wirken des Ministers zu Guttenberg, was Würdigung verdient: Dass der gerade 39-Jährige mit großem persönlichen Überzeugungseinsatz die Abschaffung der Wehrpflicht durchgesetzt hat zum Beispiel oder dass er den Krieg in Afghanistan einen Krieg genannt hat. Er schweigt über den Boulevardstar Guttenberg. Und er zeigt Mitgefühl für das, was Guttenberg zuletzt „durchlebt und durchgestanden“ habe – „auch viel Kritik und unglaubliche Häme“. Mancher habe vom „selbsternannten höheren moralischen Standpunkt aus mit der Haltung der Unfehlbarkeit“ den Stab gebrochen. „Wir sollten alle nicht so tun, als seien wir ohne Fehl und Tadel“, sagt der Protestant de Maiziere. An der Legende von der verfolgten Unschuld will er nicht mitwirken. „Die Beliebtheit ist Segen und Fluch“, gibt er dem „lieben KT“ als Mahnung auf den Weg. „Und sie ist flüchtig.“

Guttenberg tut das Verständnis des Älteren sichtlich gut, auch wenn ihm die Danksagung ein bisschen schief gerät: Unter den Charakterstudien der letzten Wochen sei die de Maizieres „unter den erträglicheren“ gewesen. Aber dann fällt ihm wohl selbst auf, dass diese Sorte Ironie bloß wieder überheblich wirkt, und er dankt noch mal ehrlich, zuletzt sogar dem Vorgänger Franz Josef Jung dafür, dass er gekommen ist. Für ihn, sagt Guttenberg, seien es „überaus lehrreiche Jahre“ gewesen. Jetzt folge eine Zeit der Ruhe, auch der Reue, auch der Buße „für Fehler, die man gemacht hat und für die man auch einzustehen hat“. Mit der Familie wolle er Zeit verbringen, mit Freunden, auch den einen oder anderen Gedanken aufschreiben – „eigene Gedanken“, betont er. Die 450 Geladenen im Gästecasino kichern. Memoiren lassen sich nun mal schlecht abkupfern.

Es ist dunkel geworden über dem Zapfenstreich. Der Wind reißt glühende Funken von den Fackeln und treibt sie über den Platz. Zum Schluss stellt sich Angela Merkel zu Guttenberg auf das Pult. Das Publikum applaudiert, der letzte Beifall für einen Vielumjubelten. Dann fährt eine schwarze Limousine ihn fort. Irgendwie wünscht man ihm ja, dass das mit der Buße ernst gemeint ist. Und dass er dabei endlich lernt zu sagen: „Ich habe etwas falsch gemacht.“ Nicht dieser „man“.

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