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Bundeswirtschaftsminister Habeck bei einer Pressekonferenz (Archivbild).

© Kay Nietfeld/dpa

Update

Habeck kritisiert russische Gas-Drosselung: „Wir sind in einer ernsten Situation. Es wird auch Zeit, dass das alle verstehen“

Durch die weitere Drosselung der russischen Gaslieferungen schnellt der europäische Gaspreis in die Höhe. Habeck wirft Putin ein „perfides Spiel“ vor.

Der russische Gaskonzern Gazprom senkt die Lieferungen durch die Ostseepipeline Nord Stream 1 weiter. Vom 27. Juli (Mittwoch) an, um 6.00 Uhr MESZ, würden noch 20 Prozent oder 33 Millionen Kubikmeter Gas täglich durch die wichtigste Versorgungsleitung nach Deutschland fließen, teilte das Unternehmen am Montag mit. 

Grund sei die Reparatur einer weiteren Turbine, hieß es von Gazprom. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bezweifelt dies und hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ein „perfides Spiel“ vorgeworfen: „Es gibt keine technischen Gründe für die Lieferkürzungen. Die Turbine steht zur Auslieferung an Russland bereit“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur am Montag.

Die Ausfuhrdokumente des Herstellers Siemens Energy lägen vollständig vor, aber Russland verweigere die Ausstellung der Einfuhrdokumente. „Russland bricht Verträge und gibt anderen die Schuld.“

Kremlchef Wladimir Putin hatte in der vergangenen Woche angedroht, dass es um den 26. Juli zu einer weiteren Drosselung der Gaslieferungen über Nord Stream 1 kommen könnte. Er hatte dabei auf vom russischen Energieunternehmen verwendete Turbinen verwiesen.

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Demnach sei eine Drosselung möglich, wenn eine in Kanada reparierte Turbine nicht rechtzeitig wieder zur Verfügung stehe. Eine weitere Turbine sollte demnach um den 26. Juli herum für Reparaturen verschickt werden.

„Putin spielt ein perfides Spiel“

Nach Angaben von Siemens Energy ist der Transport einer Turbine für die Ostsee-Pipeline vorbereitet und könnte sofort starten. Das teilte das Unternehmen am Montagabend mit. „Was allerdings fehlt, sind erforderliche Zolldokumente für den Import nach Russland“, hieß es in einem Statement. Diese Informationen könnten nur vom Kunden bereitgestellt werden.

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Die Wartung der Turbinen sei Routine, betonte Siemens Energy. In den vergangenen zehn Jahren habe es „keine wesentlichen Komplikationen“ gegeben. Die aktuelle Genehmigung der kanadischen Regierung sehe auch vor, dass weitere Turbinen von Siemens Energy in Montreal gewartet und anschließend ausgeführt werden könnten. „Wir sehen daher zum jetzigen Zeitpunkt keinen Zusammenhang zwischen der Turbine und den durchgeführten bzw. angekündigten Gasdrosselungen.“

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„Putin spielt ein perfides Spiel“, sagte Habeck. Seine Strategie sei durchsichtig. „Er versucht, die große Unterstützung für die Ukraine zu schwächen und einen Keil in unsere Gesellschaft zu treiben. Dafür schürt er Unsicherheit und treibt die Preise. Dem setzen wir Geschlossenheit und konzentriertes Handeln entgegen. Wir treffen Vorsorge, damit wir durch den Winter kommen.“

Habeck betonte allerdings noch einmal den Ernst der Lage. „Wir sind in einer ernsten Situation. Es wird auch Zeit, dass das alle verstehen“, sagte er am Montagabend in den ARD-„Tagesthemen“. Deutschland müsse den Gasverbrauch verringern. „Daran arbeiten wir.“

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Die Maßnahmen müssten konsequent weiter umgesetzt werden. Das Land müsse zusammenstehen und sagen: „Ja, (Kremlchef Wladimir) Putin hat das Gas, aber wir haben die Kraft.“ Es komme Gas nach - etwa auch aus den Niederlanden und aus Norwegen, sagte Habeck. „Jetzt hängt es davon ab, wie sparsam wir wirtschaften“, sagte er zu möglichen Szenarien für den Winter.

Die Versorgung der Industrie würde bei einem Gasmangel reduziert werden, bevor private Haushalte oder geschützte Infrastrukturen wie Krankenhäuser Gasreduktionen erleiden müssten. „Das ist natürlich eine große Sorge, die ich auch teile, dass das passieren kann“, räumte er ein. Dann werde es bestimmte Produktionsketten in Deutschland oder in Europa nicht mehr geben. „Das gilt es, mit allen Kräften zu vermeiden.“ Dazu müsse der Gasverbrauch in Deutschland um 15 bis 20 Prozent gesenkt werden.

[Lesen Sie auch: Wie hoch wird die „Putin-Umlage“?: Diese Kosten kommen ab Herbst auf Gas-Kunden zu (T+)]

Die Bundesregierung setze dafür seit Monaten einen Vorsorgeplan um, der in der vergangenen Woche noch mal um ein Energiesicherungspaket ergänzt worden sei. „Vom Bau einer LNG-Infrastruktur in extrem hohen Tempo über die Befüllung der Speicher bis zur Senkung des Verbrauchs - daran arbeiten wir mit ganzer Kraft. Es ist klar: Der Gasverbrauch muss runter, die Speicher müssen voll werden. Die Bundesregierung tut dafür, was immer nötig ist.“

Ostseepipeline Nord Stream 1
Ostseepipeline Nord Stream 1

© Stefan Sauer/dpa

Auch die Bundesnetzagentur sehe es für die erneute Drosselung der Gasliefermenge keine technische Ursache. „Wir haben die Ankündigung zur Kenntnis genommen“, sagte eine Sprecherin der Behörde am Montagabend.

Die Bundesnetzagentur beobachte die Lage im engen Austausch mit dem Wirtschaftsministerium und dem Krisenteam Gas genau. „Es gibt nach unseren Informationen keinen technischen Grund für eine Reduktion der Lieferungen“, sagte sie.

Selenskyj: „Offener Gas-Krieg, den Russland entfacht“

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj sieht in der weiteren Drosselung russischer Gaslieferungen nach Europa eine Form von Moskaus „Terror“ gegen den Westen. „Und dies ist ein offener Gas-Krieg, den Russland entfacht gegen das vereinte Europa“, sagte Selenskyj am Montag in seiner abendlichen Videobotschaft.

Russland mache es Europa damit absichtlich schwer, sich auf den Winter vorzubereiten. Das Land zeige damit einmal mehr, dass es sich nicht für das Schicksal der Menschen interessiere. Das Land lasse die Menschen durch die Blockade ukrainischer Getreideausfuhren hungern sowie unter Kälte, Armut und Besatzung zu leiden. „Das sind einfach nur verschiedene Formen von Terror“, sagte Selenskyj mit Blick auf die Ankündigung des russischen Gaskonzerns Gazprom.

Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj
Präsident der Ukraine, Wolodymyr Selenskyj

© Efrem Lukatsky/AP/dpa

Für Europa sei das eine weitere Bedrohung, sagte Selenskyj. Deshalb müsse der Westen zurückschlagen. Statt an eine Rückgabe der bereits reparierten Gasturbine zu denken, sollten die Sanktionen gegen Russland weiter verschärft werden, meinte er.

„Tun Sie alles, um Russlands Einnahmen nicht nur aus Gas und Öl zu reduzieren, sondern auch aus anderen Exporten, die noch bleiben“, sagte Selenskyj. Er warnte, dass jede weitere Handelsbeziehung ein „potenzielles Mittel des Drucks für Russland“ sei. Russland steht seit langem im Ruf, sein Gas als „geopolitische Waffe“ einzusetzen.

Europäischer Gaspreis steigt deutlich

Die Ankündigung von niedrigeren Lieferungen durch Russland hat den Erdgas-Preis deutlich steigen lassen. Am Montag stieg der als richtungweisend geltende Terminkontrakt TTF an der Energiebörse in den Niederlanden bis auf 175 Euro je Megawattstunde. Das ist ein Plus von 7,7 Prozent im Vergleich zu Freitag.

Die Problematik der Gasversorgung in Deutschland hat auch den Dax am Montag im späten Handel wieder etwas zurückgeworfen. Der deutsche Leitindex schloss 0,33 Prozent tiefer auf 13 210,32 Punkten.

[Lesen Sie auch: Empfehlung vom Nachhaltigkeitsforscher: „Drei Monate AKW-Streckbetrieb könnten durchaus sinnvoll sein“ (T+)]

Das am Vormittag veröffentlichte Ifo-Geschäftsklima fiel schwach aus, stand dem Dax auf seinem Weg zu zwischenzeitlichen Kursgewinnen aber nicht im Weg. Der MDax der mittelgroßen Unternehmen beendete den ersten Handelstag der Woche mit minus 0,54 Prozent auf 26 632,66 Punkte.

EU-Staaten beraten über Vorbereitung auf möglichen Gas-Notstand

Die Energieminister der EU-Staaten beraten am Dienstag (09.30 Uhr) über einen möglichen Lieferstopp von Gas aus Russland. Im Zentrum des Sondertreffens in Brüssel soll die Vorbereitung auf einen solchen Ernstfall stehen.

Die EU-Kommission hatte dazu vergangene Woche einen Notfallplan vorgelegt, der für den Fall eines Gasnotstands verpflichtende Einsparziele möglich machen soll. Zunächst sollen die EU-Staaten zwischen August 2022 und März 2023 jedoch freiwillig deutlich weniger Gas verbrauchen.

Zu dem Treffen wird Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erwartet. Er hatte in der Energiekrise europäische Solidarität eingefordert, denn Deutschland ist stark von russischem Gas abhängig.

Die Kommissionspläne sind allerdings stark umstritten. Sie stoßen vor allem bei Südländern wie Italien, Spanien, Portugal und Griechenland auf Widerstand. Diplomaten rechnen deshalb mit einer Reihe von Ausnahmen.

[Lesen Sie auch: Russische Drohungen beim Gas: Ein Liefer-Aus für Europa könnte auch Gazprom in Bedrängnis bringen (T+)]

Die Europäische Union und vor allem Deutschland sind stark abhängig von russischem Gas. An den Märkten wird ein vollständiges Ende der Gaslieferungen befürchtet, was die europäische Wirtschaft stark belasten würde.

Erst am Donnerstag waren die Gaslieferungen über die derzeit wichtigste Verbindung nach Deutschland für russisches Erdgas nach einer zehntägigen Routinewartung wieder aufgenommen worden. Bereits im Juni hatte Gazprom die Lieferungen über die Pipeline auf 40 Prozent der Maximalkapazität gedrosselt und auf die zur Reparatur nach Kanada verschickte Turbine verwiesen. Die Bundesregierung hält dies für einen Vorwand. (dpa)

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