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Politik: Haft für Ex-SED-Größen: Anklage fordert mehrjährige Gefägnisstrafen - Westexperte Häber soll Bewährung erhalten

Im zweiten Politbüroprozess vor dem Berliner Landgericht hat die Staatsanwaltschaft mehrjährige Freiheitsstrafen gegen die ehemaligen SED-Spitzenfunktionäre Siegfried Lorenz, Hans-Joachim Böhme und Herbert Häber gefordert. In seinem Schlussplädoyer beantragte Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz am Dienstag Haftstrafen von zwei Jahren und neun Monaten für Böhme und Lorenz.

Im zweiten Politbüroprozess vor dem Berliner Landgericht hat die Staatsanwaltschaft mehrjährige Freiheitsstrafen gegen die ehemaligen SED-Spitzenfunktionäre Siegfried Lorenz, Hans-Joachim Böhme und Herbert Häber gefordert. In seinem Schlussplädoyer beantragte Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz am Dienstag Haftstrafen von zwei Jahren und neun Monaten für Böhme und Lorenz. Beide hätten sich im SED-Politbüro nicht für eine Humanisierung der deutsch-deutschen Grenze eingesetzt und seien des Totschlags "durch qualifiziertes Unterlassen" schuldig, sagte Jahntz. Für Herbert Häber, der nur 14 Monate im SED-Politbüro saß, wurde lediglich eine Bewährungsstrafe von zwei Jahren beantragt. Häber war Mitte der achtziger Jahre gegen seinen Willen aus der Machtzentrale entfernt worden.

Die Anklagebehörde hielt Häber zugute, dass er sich "zumindest gedanklich vom Grenzregime distanziert" habe und zudem unter "schwerem politischem Druck" stand. Als Westexperte der DDR hatte Häber Kontakte zu bundesdeutschen Politikern geknüpft, bevor er als Opfer von Intrigen in die Psychatrie abgeschoben wurde. Trotzdem hielt der Ankläger Häber vor, auch er habe an Beschlüssen mitgewirkt, die das DDR-Grenzregime festigten. Mit Häbers Stimme sei auf einer Politbüro-Sitzung am 11. Juni 1985 der "Klassenauftrag" der Nationalen Volksarmee bestätigt worden - samt der tödlichen Folgen an der Mauer. "Im Politbüro war jeder für alles verantwortlich", argumentierte Jahntz.

In seiner zweieinhalbstündigen Rede ging Jahntz noch einmal ausführlich auf das Schicksal von vier DDR-Flüchtlingen ein, die zwischen 1984 und 1989 an der Mauer erschossen wurden. Als Ursache der "standrechtlichen Verhängung der Todesstrafe" am Grenzstreifen bezeichnete Jahntz die "kausale Befehlskette von der SED-Spitze bis zu den Grenzeinheiten". Diese habe sich in wiederholten Beschlüssen des Politbüros und des Nationalen Veteidigungsrates ausgedrückt. Die Argumentation stützt sich auch auf den Schuldspruch im ersten Politbüro-Prozess. Vor einem halben Jahr wurden Egon Krenz, Günter Schabowski und Günther Kleiber zu mehrjährigen Haftstrafen wegen Totschlags verurteilt. Ein Urteil im zweiten Prozess wird für kommende Woche erwartet.

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