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Politik: Haft privat

Hessens neuestes Gefängnis betreibt nur noch zum Teil der Staat. Die Anstalt soll als Modell dienen

Die Einladung des hessischen Justizministers an die Journalisten der Landespressekonferenz zu einer Probeübernachtung in der neuen Justizvollzugsanstalt Hünfeld baut vor: Duschen sei nur in Gemeinschaftsräumen möglich, „nach Geschlechtern getrennt“. Das erste teilprivatisierte Gefängnis in Deutschland, das Ministerpräsident Roland Koch (CDU) am Mittwoch eröffnen wird, glänzt nicht mit Komfort. Dennoch ist der Neubau für die Landesregierung ein Vorzeigemodell. Wenn im Januar die ersten Häftlinge in das Gefängnis einrücken, werden sich nämlich neben den 116 öffentlichen Bediensteten 95 Mitarbeiter der privaten Betreiberfirma Serco um die 500 Insassen kümmern. Vom Anstaltsarzt bis zur Frisörin, vom Küchenchef bis zum Werkstattleiter, auch Schlüsselpositionen sind in der JVA Hünfeld mit Angestellten einer Privatfirma besetzt. Bei den Betriebskosten seien so 660 000 Euro jährlich einzusparen, preist der Bauherr, Ex-Justizminister Christean Wagner, das Projekt. Für Ministerpräsident Koch ein „Leuchtturm“ seiner Politik, ebenso wie die geplante Privatisierung der Unikliniken Marburg/Gießen.

„Als Hotelzimmer wären sie nicht geeignet!“ Auch wenn Anstaltsleiter Päckert Gäste durch die neue Justizvollzugsanstalt Hünfeld führt, setzt er auf Bescheidenheit. Die Hafträume messen 9,3 Quadratmeter, die Toiletten sind von den Zellen zwar durch eine Wand abgetrennt, an den Waschbecken gibt es jedoch nur kaltes Wasser, den Betonboden bedeckt lediglich ein grauer Farbanstrich. Als Justizminister war Wagner, der mittlerweile Fraktionschef ist, 1999 mit dem Versprechen angetreten, in Hessen den härtesten Strafvollzug durchzusetzen, in Abgrenzung zum grünen Amtsvorgänger von Plottnitz. Mit rund 70 Millionen Euro Baukosten ist auch die JVA Hünfeld kein „Billigknast“. Die vier Hafthäuser mit roten Backsteinfassaden sind ansprechend gestaltet. Von den Außenfenstern öffnet sich ein weiter Blick über die Rhön, doch nicht nur modernste Sicherheitstechnik wird die Häftlinge vom vorzeitigen „Freigang“ abhalten. Haftlockerungen und -urlaub sind in Hessens Strafvollzug nicht mehr Regel, sondern Ausnahme. Sollte der Justizvollzug im Rahmen der Föderalismusreform Ländersache werden, wäre der „konsequente Strafvollzug“ steigerungsfähig. Die CDU-Landesregierung hat mit ihren Bundesratsinitiativen deutlich gemacht, dass sie die Fesseln des Strafvollzugsgesetzes gerne abstreifen würde. Nach ihrer Auffassung ist der Vorrang der Resozialisierung im Bundesgesetz überholt; der Schutz der Bevölkerung vor den Straftätern muss danach gleichen Rang erhalten.

Der private Betreiber Serco, der vor allem in Großbritannien einschlägige Erfahrungen mit dem Betrieb von Haftanstalten gemacht hat, weiß allerdings um die befriedende Wirkung freundlicher Behandlung. Wirtschaftsleiter Schultze will persönliche Namensschilder an den Zellentüren anbringen, Neuankömmlinge sollen mit einer Tasse Kaffee empfangen werden. Die Mahlzeiten werden nicht in den Hafträumen serviert, sondern im Gemeinschaftsraum.

Von der Zusammenarbeit mit einem privaten Betreiber verspricht sich die Landesregierung neben Einsparungen eine deutlich bessere Auslastung der Werkstätten. Während es in den übrigen Gefängnissen nur für etwa die Hälfte des Insassen Arbeitsplätze gebe, hoffe man in Hünfeld auf eine Beschäftigungsquote von 70 Prozent. Ex-Minister Wagner sagte dem Tagesspiegel: „Arbeit leistet den wichtigsten Beitrag zur Resozialisierung.“

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