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Verfassungsschutz-Chef Thomas Haldenwang wollte eine härtere Gangart gegenüber der AfD.

© Bernd von Jutrczenka / AFP

Verfassungsschutz gegen AfD: Haldenwang überging Zweifel an Verkündung des „Prüffalls“

Ein interner Vermerk des Amts meldete „rechtliche Bedenken“ an, ob die öffentliche Einstufung der Partei zulässig sei. Aber der Chef wollte es so.

Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz (BfV) Thomas Haldenwang hat die AfD Anfang 2019 offenbar leichtfertig und trotz Zweifeln, ob dies zulässig ist, zum „Prüffall“ ausgerufen. Dies geht aus einem Vermerk des BfV hervor, in dem die amtliche Öffentlichkeitsarbeit zu der damaligen Einstufung im Vorfeld untersucht worden war.

Demnach hatte es „rechtliche Bedenken“ mit Blick auf Vorschriften des Verfassungsschutzgesetzes gegeben, wonach die Öffentlichkeit über verfassungswidrige Bestrebungen von Parteien nur informiert werden darf, wenn „gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte“ vorliegen. Dies beschreibt einen so genannten Verdachtsfall. Eine Einstufung als bloßer „Prüffall“ ist jedoch im Gesetz nicht vorgesehen.

Die Maßnahme könne Wähler abschrecken, so das Gericht

Bereits wenige Wochen nach der Einstufung hat das Kölner Verwaltungsgericht Haldenwang nach einer AfD-Klage untersagt, die Partei weiterhin als „Prüffall“ zu bezeichnen. Da war die Nachricht aber schon überall verbreitet worden. Zudem kursierte ein umfassendes BfV-Gutachten, das diese Einschätzung mit zahlreichen Belegen rechtfertigen sollte.

Die Richter stellten seinerzeit fest, die viel beachtete Maßnahme beeinträchtige die AfD in ihrer grundgesetzlich geschützten Parteienfreiheit und ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht. Die Äußerung sei eine „mittelbar belastende negative Sanktion“, die Wähler abschrecken könne.

Haldenwang war damals erst seit wenigen Wochen im Amt und als Nachfolger des umstrittenen Hans-Georg Maaßen erkennbar bemüht, gegenüber der AfD eine härtere Gangart einzuschlagen.

Sein Vorgehen trotz juristischer Zweifel wirft allerdings die Frage auf, ob er dabei über das Ziel hinaus schoss. Angesichts des nun bekannt gewordenen Vermerks wird zumindest deutlich, weshalb er die Niederlage vor dem Verwaltungsgericht akzeptierte statt eine Beschwerde zur nächsten Instanz einzulegen, wie beklagte Behörden es in solchen Fällen regelmäßig tun – offenbar rechnete sich der BfV-Chef im weiteren Verfahren nicht die geringsten Chancen aus.

Amt gab erst nach Tagesspiegel-Klage Auskunft

Stellung nehmen wollte das Bundesamt zu dem Vorgang nicht. In einer Mitteilung heißt es aber, dass man von der öffentlichen „Prüffall“-Einstufung eine „entlastende Funktion“ für die Partei erwartet haben will, weil in der Diskussion damals verlangt wurde, schon den nächsten Schritt zu tun und die Partei als solche vom BfV beobachten zu lassen.

Dass Haldenwang sein damaliges Vorgehen juristisch vorab begutachten ließ und es einen Vermerk mit „Bedenken“ gibt, hielt das BfV bislang zurück. Offiziell hieß es, Auskünfte seien nicht möglich, da jede Form von Kommunikation über den „Prüffall“ gerichtlich verboten sei. Nach einer Tagesspiegel-Klage (Az.: 6 L 575/19), ebenfalls vor dem Kölner Verwaltungsgericht, korrigierte das Amt seine Ansicht, will aber weiterhin nicht darlegen, wie schwerwiegend die „Bedenken“ waren. Der Gerichtsbeschluss dazu steht noch aus.

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