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Hamburg Koaltion

© dpa

Hamburg: Modell Ole

Hamburgs Bürgermeister ist ein Meister der Wandelbarkeit - und für die Grünen gefährlich. Man darf nur nicht glauben, das Modell Ole sei beliebig übertragbar auf die Bundespolitik. Es funktioniert wohl nur in der Großstadt, in einem überschaubaren Umfeld.

Gerade hatte Ole von Beust noch ungeduldig auf die Uhr geschaut, als sein Finanzsenator Michael Freytag grundsätzlich wurde. Es war fast Mittag, und die Führungsspitzen von CDU und Grünen hatten schon zwei Stunden im großen Festsaal des Hamburger Rathauses über den Koalitionsvertrag referiert, nachdem sie ihn am Abend zuvor einen Saal weiter unterzeichnet hatten. Freytags Minireferat lautete: „Es ist modellhaft, wenn Politiker über eigene Horizonte hinwegschauen, denn die Selbstgefälligkeit ist eine Gefahr für alle Parteien. Man muss über den Tellerrand gucken.“

Es waren interessante Sätze, die man gleichermaßen auf die grüne und schwarze Basis in Hamburg oder auch auf die Bundespolitik anwenden konnte, nach dem Motto: Seht her, wir zeigen euch, wie man auf Augenhöhe redet. Will man aber verstehen, wie es so seltsam komplikationslos zum ersten schwarz-grünen Bündnis auf Länderebene kommen konnte, muss man Freytags Sätze auf Ole von Beust anwenden. Sie sind das Prinzip, wie Ole von Beust in Hamburg sich und die CDU an der Macht hält und gleichzeitig ein über alle Parteigrenzen hinweg populärer Bürgermeister geworden ist. Am Ende der neuen Legislaturperiode wird er elf Jahre regiert haben, und niemand anders als die SPD, die über 40 Jahre diese Stadt führte, wird besser wissen, welche Leistung das ist.

Beust ist quasi der Meister in politischer Wandelbarkeit, und er ist dafür schon oft genug als rückgratlos beschimpft worden, vor allem als er 2001 seine erste Koalition mit dem Rechtspopulisten Barnabas Schill schmiedete. Tatsächlich ist Beust auch skrupellos, wenn es um die Macht geht. Einige Personalentscheidungen fallen in diese Kategorie, auch die jüngste, überraschende Auswechslung des parteilosen Innensenators Udo Nagel für einen CDU-Mann: Die eigenen Leute werden für das brave Mittragen von Schwarz-Grün belohnt. Aber Beust hatte in der Vergangenheit auch kein Problem damit, sich von einem Marktradikalen zu einer Art Christ-Sozialdemokraten großstädtischen Typs zu wandeln. In Interviews fand er nichts Verwerfliches daran, von einer „Sozialdemokratisierung“ der CDU zu sprechen. Auch als er das Thema Klima für sich reklamierte, wurde er belächelt, dabei entspricht Klimapolitik dem Grundbedürfnis einer Stadt, die schon oft überflutet war. Beust eröffnete sich so die Chance, mit den Grünen ins Gespräch zu kommen.

Man darf nur nicht glauben, das Modell Ole sei beliebig übertragbar auf die Bundespolitik. Es funktioniert wohl nur in der Großstadt, in einem überschaubaren Umfeld: Machtpolitiker und Sympathieträger, ein Bürger-Meister für alle, einer, der lieber nach Sylt fährt als ins bundespolitische Getümmel nach Berlin.

Für die Grünen ist Beust gefährlicher, als sie denken. Beusts Wandelbarkeit ist gut für die Grünen, weil sie ohne ihn niemals die großen inhaltlichen Differenzen hätten überbrücken können. Schlecht für die Grünen ist, dass der nette Herr Beust sich in allen harten Themen durchgesetzt hat. In Wahrheit ist Beust den Grünen in Kernfragen nicht entgegengekommen oder setzt auf Zeit. Beim umstrittenen Kohlekraftwerk Moorburg gibt der Koalitionsvertrag nur her, dass man nach Ablauf bestehender Verträge ab 2014 eine Neuausschreibung für das Fernwärmenetz erwäge. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass die grüne Umweltsenatorin Anja Hajduk noch einen juristischen Sieg Vattenfalls für Moorburg mittragen muss. Für das, was die Grünen ansonsten nicht durchsetzen konnten, gab es Geschenke von der CDU. Zwei Beispiele: Die Elbvertiefung wollten die Grünen verhindern. Sie wird kommen – die Grünen bekommen eine Stiftung für die ökologischen Fragen zur Elbe. Auch die sogenannte Hafenquerspange, zwei Straßentrassen, werden wie der Autobahnanschluss an die A 7 gebaut. Dafür soll nun eine City-Maut geprüft und eine Straßenbahnlinie eingeführt werden.

Die Bauchschmerzen, die die Grünen haben, werden öffentlich nicht sichtbar. Es gilt die Devise: Schau’n mer mal. Man bemüht sich, in der Spitzendisziplin der Hamburger CDU mitzuhalten: der Politik-PR. Allerdings beherrschen ihre neuen Supersenatorinnen Christa Goetsch (Schule) und Anja Hajduk Beusts Kunst, die Probleme lächelnd wegzumoderieren, noch nicht gut genug. Mal sehen, ob die Mitglieder am 27. April in der geheimen Abstimmung über den Vertrag die Ansicht Hajduks teilen, „die Basis findet sich im Koalitionsvertrag wieder“.

Aber letztlich ist es Beust gelungen, auch beim heikelsten Thema der Grünen Kompensation zu bieten: bei ihrer Glaubwürdigkeit. Die Grünen mussten zwar bei ökologischen Symbolthemen zurückstecken, dafür überlässt Beust ihnen die Führungsrolle beim eigentlichen Kernthema der Koalition: Kinder, Kitas, Schule, Bildung und Integration, für alles ist ein dreistelliger Millionenbetrag vorgesehen. Zwar ist die sechsjährige Primärschule auch nur ein Kompromiss, aber in der Tat könnte Hamburg mit seinem neuen Kita- und Schulkonzept Pionier sein. Modell Ole hätte dann mal wieder gewonnen.

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