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Politik: Hamburgs Genossen funken SOS

SPD-Landesvorstand tritt nach desaströser Kandidatensuche zurück – jetzt sucht die Partei einen Retter

Der Tiefpunkt für die Hamburger SPD scheint erreicht. Nach dem Stichwahldebakel für die Spitzenkandidatur zur Bürgerschaftswahl 2008 ist gestern nach achtstündiger Sitzung der Landesvorstand komplett zurückgetreten.

Nach der Marathondebatte unter der Tagungsleitung von SPD-Generalsekretär Hubertus Heil bekamen die wartenden Journalisten im Treppenaufgang des Kurt-Schumacher-Hauses, der ehrwürdigen Parteizentrale, um 4 Uhr morgens die so ersehnten Neuigkeiten: Alle 24 Mitglieder des Vorstandes treten zurück und es gibt am 24. März einen Landesparteitag, auf dem ein neues Spitzengremium gewählt und ein Herausforderer für den Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) präsentiert wird.

Bis es zu dieser Erklärung kam, blockierte insbesondere der bisherige Landeschef Mathias Petersen den jetzt vorgesehenen Weg. Heil hatte ihm die Erwartung der Bundesparteispitze bereits tags zuvor übermittelt: Der 51-jährige Allgemeinarzt sollte die Verantwortung für die schwerste Krise der Partei an der Alster mit dem Stichwahldesaster und die auf mysteriöse Art und Weise verlustig gegangenen Stimmzettel übernehmen. Petersen sollte Größe zeigen, seinen Hut nehmen. Doch der Mediziner ist als passionierter Hockeyspieler im Klub Altona-Bahrenfeld Sportsmann und damit eine Kämpfernatur. Partout wollte er sich als Wahlsieger gegen seine Stellvertreterin Dorothee Stapelfeldt sehen. Entgegen dem mehrheitlichen Willen des Landesvorstandes, die Wahlauszählung abzubrechen, ließ er im internen Kreis weiterzählen. 2780 zu 1730 Stimmen zu seinen Gunsten, das sei doch eindeutig – egal, was mit den verschollenen 959 Stimmen passiert sei. Mit dieser Haltung wartete er auch in der vorletzten Nacht auf, bis er sich nach den ersten zweieinhalb Stunden im Plenum immer wieder mit kleinen Beratergruppen in Nebenzimmer zurückzog.

Da scherte es ihn wenig, dass die Bundespartei ihn für seinen nicht abgesegneten Auszählakt getadelt hatte. Sportsmann Petersen glich einem taumelnden Boxer, für den das Handtuch geworfen werden muss. Nach fünf Stunden in kleinen Gesprächsrunden gab Petersen dann schließlich doch klein bei, und auch die beschädigte Stapelfeldt wie alle anderen Vorstandsmitglieder gaben als Ensemble auf. Zuvor hatte Petersen noch vorgeschlagen, auf sein Vorstandsamt zu verzichten, wenn man ihn doch bitte als Spitzenkandidaten benennen würde. Doch damit blitzte er ab.

Jetzt wollen die sieben Kreisvorsitzenden zusammen mit dem dreiköpfigen geschäftsführenden Vorstand (darunter Petersen und Stapelfeldt), der kommissarisch bis zum 24. März die Ämter fortführt, nach personellen Lösungen suchen. Als Beust-Gegenspieler kommt dabei eigentlich nur eine Kraft infrage, die sich im zuletzt betriebenen Ränkespiel der Partei auf keine Seite geschlagen hat. Doch genau diese Person, die auch Führungsqualitäten mitbringen muss, ist mit der Lupe zu suchen.

Dem vielfach gehandelten SPD-Fraktionsvorsitzenden Michael Neumann beispielsweise wird vorgehalten, er sei mit 36 Jahren zu jung, vor allem habe er sich im Stichwahlduell nicht neutral verhalten, sondern Stapelfeldt unterstützt. Ein potenzieller Kandidat wäre auch Olaf Scholz, parlamentarischer Geschäftsführer der Bundestagsfraktion und immerhin Ex-Parteichef in Hamburg, der zum Pro-Stapelfeldt-Lager gehörte. Und dann ist da noch Alt-Bürgermeister Henning Voscherau. Der 65-Jährige hatte sich im Vorwahlkampf auf Petersens Seite geschlagen. Dem größten und damit auch mächtigsten Hamburger Kreisverband Mitte steht der bei der Elb-SPD einflussreiche Bundestagsabgeordnete Johannes Kahrs vor. Es könnte sein, dass er mit dem strebsamen Markus Schreiber, dem Leiter des Bezirksamtes Mitte, einen Vertreter aus seinem Umfeld durchdrücken möchte.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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