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Hamburgs SPD: Forderung nach Rücktritt des Vorstands

"Rücktritt, Rücktritt", brüllen etliche Sozialdemokraten im Hamburger Kurt-Schumacher-Haus in die Pressekonferenz, auf der der Landesvorstand vergeblich zu erklären versucht, wie mehr als 1000 Wahlzettel einfach verschwinden konnten.

Hamburg - Sowohl SPD-Chef Mathias Petersen als auch seine Stellvertreterin Dorothee Stapelfeldt reagieren auf die Forderung am späten Sonntagabend nicht, geben mit versteinerter Miene bekannt, die SPD-Mitgliederbefragung zur Spitzenkandidatur für die Bürgerschaftswahl 2008 ist gescheitert und der für Dienstag geplante Nominierungsparteitag abgesagt. Die SPD Hamburg - 40 Jahre lang gewohnt, die Regierung der Hansestadt zu stellen - befindet sich in ihrer bislang größten Krise.

Kein Vergleich mehr mit den für die SPD goldenen Zeiten, als es sich etwa der langjährige SPD-Bürgermeister Henning Voscherau erlauben konnte, sein Bürgermeisteramt 1997 nicht anzutreten. Ihm war das SPD- Ergebnis nicht hoch genug und er hätte mit den Grünen regieren müssen. Vorbei. Die SPD Hamburg ist am Boden. Dramatischer hätte das Debakel am Sonntag kaum über die Bühne gehen können. Zunächst hieß es nur, es gebe Unstimmigkeiten und der Landesvorstand berate darüber. Kein Ton von einem möglichen Scheitern der Befragung. Das zeigte sich erst, als die SPD-Spitze schon fast schreckensbleich vor die Presse trat: "Wir sind im Landesvorstand entsetzt, dass so etwas passieren konnte.

"Briefwahlstimmen unauffindbar"

Wir sind entsetzt und auch fassungslos", sagte etwa Stapelfeldt. Am Ergebnis änderte das natürlich nichts. Statt 1500 waren nur rund 500 Briefwahlzettel in der Urne. "Die fast 1000 Briefwahlstimmen sind nicht auffindbar", sagte Petersen und fügte an: "Wir haben hier einen Vorgang, der - so wie es aussieht - einen kriminellen Hintergrund hat."

Beobachter schließen indes nicht mehr aus, dass der gesamte Vorstand noch diese Woche zurücktritt. Indizien sprechen dafür. Zum einen will sich der Landesvorstand bereits am Dienstag, und nicht wie ursprünglich geplant erst am Donnerstag zu einer weiteren Krisensitzung treffen, um die Lage "politisch zu bewerten". Zum anderen ist eine Wiederholung der Mitgliederbefragung am 25. März - wie von Petersen und Stapelfeldt noch am Sonntag angekündigt - nun auf einmal ungewiss. Sollten Petersen und Stapelfeldt weitermachen wollen, wäre eine neuerliche Befragung der Basis jedoch unumgänglich, wollte der SPD- Landesvorstand nicht seine eigenen Beschlüsse ad absurdum führen. Hatte er sich doch explizit für eine Befragung der rund 11.500 SPD- Mitglieder entschieden, nachdem der seit 2004 amtierende Parteivorsitzende Petersen massiv in die Kritik geraten war.

Legitimation durch Befragung der Basis

Dem 51 Jahre alten Arzt wurden einsame Personalentscheidungen vorgeworfen. Außerdem habe er Meinungen vertreten, die ihn als Spitzenkandidat nicht mehr tragbar erscheinen ließen. Der Landesvorstand bescheinigte Petersen auch deshalb mit 13 zu 10 Stimmen einen "erheblichen Vertrauensverlust" und entschied sich für eine Befragung der Basis, um so eine neue Legitimation zu erzielen. Das Vertrauen der SPD-Basis in ihren Vorstand ist in jedem Fall schwer erschüttert. Inzwischen ermittelt auch die Staatsanwaltschaft im Fall der verschwundenen Wahlzettel - wegen Unterschlagung geringwertiger Sachen. (Von Markus Klemm, dpa)

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