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Pakistan ist ein junges Land und noch gehen an der Grenze zu Afghanistan vor allem viele Mädchen nicht zur Schule. In den Städten ändert sich das bereits. Die Regierung setzt auf Fortschritt durch eine wachsende Wirtschaft und wirbt um deutsche Partner. Foto: Rehan Khan/dpa

© dpa

Politik: Handel statt Handaufhalten

Pakistan gilt als Hort des Terrors. Mit einer Sympathie-Offensive und dem Werben um Investoren wollen Premier Sharif und sein einflussreicher Bruder zumindest die Stimmung in Deutschland wenden.

Berlin- Es ist mit rund 200 Millionen Bürgern eines der bevölkerungsreichsten Länder und strategisch ein Schlüsselstaat in der Region, aber die Gewalt hat Pakistan auf der politischen Landkarte ziemlich weit ins Abseits befördert. Deutsche sehen in Pakistan meist den undurchsichtigen Bruder Indiens, einen Hort von Terror und Taliban an der Grenze zu Afghanistan und Iran. Mit dem näher rückenden Abzug internationaler Kampftruppen aus Afghanistan wird Pakistan allerdings auch diplomatisch wieder interessanter. Mindestens die westliche Welt hat großes Interesse daran, dass die Region einigermaßen stabil bleibt. Nachdem im Frühjahr erstmals eine gewählte Regierung die andere abgelöst hat, setzen Diplomaten darauf, dass das muslimische Land nicht so bald auf der Weltkarte der gescheiterten Staaten landet. Pakistan ist wichtig, wenn es um die Zukunft Afghanistans geht, und damit sich die Hoffnungen der Pakistaner, die die Muslimliga gewählt haben, wenigstens in Ansätzen erfüllen, muss die Wirtschaft in Schwung kommen.

Die beiden reichen wie mächtigen Sharif-Brüder, die als Premier in der Hauptstadt Islamabad und Ministerpräsident in Punjab, der größten Provinz, das Land als eine Art Spitzenduo regieren, sind kräftig als Handlungsreisende unterwegs. Premier Nawaz Sharif verkündete jüngst in den USA, Pakistan Steel und die nationale Fluggesellschaft PIA sollten privatisiert werden. Nun ist er beim Wirtschaftsforum in London.

Sein Bruder Shahbaz hat sich in China umgeschaut, besonders die günstigen Solarpanele haben es ihm angetan. Seit Montag ist er mit einer 80 Unternehmen starken Delegation in Berlin, schon kurz nach der Ankunft traf er die ersten Firmenvertreter. Der graumelierte Politiker will hier einen guten Eindruck machen, Deutschland ist mit rund zwei Milliarden Euro Pakistans größter Handelspartner in der EU. Seit Wochen büffelt er wieder Deutsch. Sharif verweist gern darauf, dass er 1968 in Deutschland dessen Tugenden Fleiß, Ehrlichkeit und Pünktlichkeit gelernt habe und dies auch von seinen Leuten fordere. Mit seiner Vorstellung von Fleiß bringt der Frühaufsteher seine Mitarbeiter öfter an den Rand der Verzweiflung, bei der Pünktlichkeit schafft er eher Annäherungswerte. Aber wenn er ein Ziel hat, verfolgt er es konsequent. Seiner Provinz geht es besser als anderen – Beobachter sagen, das Handaufhalten gehe unter der neuen Ägide zurück.

Shahbaz Sharif weiß, dass ganz Pakistan dringend Energie braucht, um die Pläne realisieren zu können. Ständig fällt der Strom aus. Das nervt die Bevölkerung und lähmt die Produktion. „Derzeit fehlen 6000 Megawatt, bald werden 10 000 nötig sein.“ Dafür brauchen sie Partner. Große Firmen wie Siemens, BASF, Bayer und Metro verdienen dort schon gut, jetzt sollen auch Mittelständler kommen. „Geschäfte sind unser ein und alles“, sagte der Ministerpräsident, der sich gern als Preuße des Orients präsentiert, dem Tagesspiegel. „Geschäfte sind Außenpolitik, Innenpolitik, Fortschritt und Wohlstand.“ Deutschlands Aufstieg aus Kriegstrümmern zur ökonomischen Weltmacht nennt er das „goldene Beispiel“. Vorbilder sind die Türkei und Indonesien, auch die hatten bis vor kurzem große Terrorprobleme. Ja, sagt er, sein Land habe in Sachen Terror noch viel zu tun. Aber die Regierung tue ihr Mögliches, 50 000 Pakistaner seien im Kampf gegen den Terror bereits gestorben. „Wir setzen auch Technologie wie Kameras und Scanner ein, um unsere Städte sicherer zu machen.“ Drohnen aber zählten nicht dazu, sie seien inakzeptabel – in US-Hand sowieso, aber auch Pakistan werde keine Drohnen einsetzen.

Allerdings erwartet auch der Westen Zusammenarbeit. Jüngst entließ Pakistan den zweiten Mann der Taliban, Mullah Baradar, aus der Haft. „Eine Geste guten Willens“, sagt Shahbaz Sharif. Kabul hofft, dass Baradar als früherer Vertrauter von Mullah Omar seine Kontakte für Gespräche mit den Taliban nutzt. Im Moment herrscht jedoch Rätselraten über dessen Verbleib. Auch Shabhaz Sharif wollte es nicht lösen: „Ich habe keine Ahnung, wo er ist.“ Pakistan wolle Afghanistan auch bei Gesundheit und Bildung helfen. Dass da daheim besonders an der Grenze zu Afghanistan viel zu tun ist, lastet er den „vielen Aktivitäten der Taliban in diesem Hotspot“ an. Pakistans Eltern wollten, dass ihre Kinder in die Schule gehen, Jungen wie Mädchen. Er sowieso.

Deutsche Diplomaten hoffen auf Fortschritt und Stabilität in Pakistan. An diesem Mittwoch gibt es eine hochkarätige Wirtschaftskonferenz in Berlin. Der amtierende Außenminister Guido Westerwelle hat sich angesagt, aus dem Wirtschaftsressort kommt eine Staatssekretärin. Beide Länder verhandeln über eine gemeinsame Handelskammer und man setzt darauf, dass sich das Hermesranking verbessert. Es geht auch um gute deutsche Geschäfte: In Pakistan lässt sich günstig produzieren und manche Fachleute sagen, es sei einfacher, dort Geschäfte zu machen als in Indien. 200 Millionen Menschen sind noch dazu ein schöner Absatzmarkt.

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