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Politik: Handreichung zum Allerlei

Alle Parteien, die etwas auf sich halten, haben sich mittlerweile dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und dem Prinzip der Nachhaltigkeit verschrieben. Angesichts der Papierberge, mit denen die Besucher von Parteitagen behelligt werden, könnte man allerdings meinen, dass beides nicht allzu ernst zu nehmen ist.

Alle Parteien, die etwas auf sich halten, haben sich mittlerweile dem Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen und dem Prinzip der Nachhaltigkeit verschrieben. Angesichts der Papierberge, mit denen die Besucher von Parteitagen behelligt werden, könnte man allerdings meinen, dass beides nicht allzu ernst zu nehmen ist. Die Delegierten des CDU-Parteitags, die an diesem Montag und Dienstag nur wenige Stunden Zeit haben, um sich mit Programmdiskussionen ein wenig von der Kanzlerkandidaten-Frage abzulenken, werden als nächste diese Erfahrung sammeln. Denn in ihren Parteitagsunterlagen gibt es eine ganze Fülle von länglichen Beschlussvorlagen und Positionsbestimmungen, die die gesamte Politik dem Anschein nach noch einmal grundsätzlich neu formulieren wollen.

Naturgemäß sticht dabei der Leitantrag des Bundesvorstandes, der auf 76 Seiten 90 Unterpunkte abhandelt, besonders hervor. Das grundsätzlichste Papier indes ist der Bericht der vom rheinland-pfälzischen CDU-Vorsitzenden Christoph Böhr geleiteten Wertekommission, das sich auf vergleichsweise straff formulierten 46 Seiten mit der "neuen Aktualität des christlichen Menschenbildes" beschäftigt. Gewissermaßen haben die Delegierten damit einen gut durchdachten und klug argumentierenden Maßstab an der Hand, mit dem sie all die anderen Ausarbeitungen, vor allem den Leitantrag, bewerten können.

Selten haben in einer Antragsmappe Glanz und Elend einer Partei so dicht beieinandergelegen. Denn während das Wertepapier erstaunlich konkret wird und damit zeigt, wie fruchtbare Grundsatzpositionen bei der Bestimmung von konkreten Handlungsprogrammen sein können, kommt der Leitantrag nahezu wertfrei über die Runden. Und in den hingehuschten Referenzen an den christdemokratischen Traditionsbestand findet sich gar manch Erstaunliches. Dort, wo in früheren Zeiten Bezug auf christliche Werte, Religion und Kirchen genommen wurde, heißt es heute lapidar: "Antrieb für unser Handeln ist die Liebe zu unserem Land als ganzes und zu seinen Religionen." Bei so viel Missachtung der Kirchen mag man fast nicht mehr an ein Büroversehen als Grund dafür glauben, dass der Vertreter der Katholischen Bischofskonferenz zunächst auf der Einladungsliste vergessen wurde.

Bekanntlich steht das wichtigste in Parteiprogrammen immer am Anfang. Aus dem Blickwinkel des Wertepapieres ist dies die Fundierung der Politik im "christlichen Menschenbild und der Anspruch einer Volkspartei", Bioethik und Genforschung, Familienpolitik, Wirtschafts- und Sozialpolitik, Bildungs- und Erziehungspolitik zu verbinden. All diese Schwerpunkte tauchen auch im Leitantrag auf, die Eröffnung besorgt dort aber ein auf schlichtes Law-and-order-Denken reduziertes Kapitel - "Stark für innere Sicherheit". Dann Wirtschaft, Wirtschaft, Wirtschaft - schließlich auch noch Familie, Bildung, Allerlei. Kein Wort darüber, wie die Gesellschaft aussehen und verfasst sein soll, in der sich nach Auffassung der CDU auch zukünftig human leben lässt. Das eigentlich Verwegene an diesem Leitantrag ist der im Gnadenton anbebotene "Vertrag für eine sichere Zukunft", zu dem "die CDU den Bürgern die Hand" reicht.

Auseinander-Setzungen

Über die großen Fragen mögen sie sich lieber nicht streiten - das macht ja keinen guten Eindruck. Aber was ist mit den kleinen? Da zeigt sich, wie groß die Auseinandersetzungen eigentlich sind. Nehmen wir die Sitzordnung auf dem Parteitag. Seit ewigen Zeiten, mindestens seit Kohl, ist es so, dass auf dem Podium das Präsidium, der Vorstand, die Ministerpräsidenten und die Chefs der Vereinigungen der CDU Platz nehmen. Das wollten Angela Merkel und Laurenz Meyer, ihr Generalsekretär, ändern. Offener sollte die Union wirken, es sollte vorbei sein mit dem "Wir hier oben, ihr da unten". Deshalb wollten M und M, dass dort nur noch die zu sehen seien, die aktuell zu einem Thema etwas zu sagen haben, immer nur zwei oder drei. Aber die CDU ist eben im Zweifel konservativ, in den großen und den kleinen Fragen. Allzu viele Auseinander-Setzungen? Lieber nicht. Nur eine Halbierung auf ein 30-er Podium. "Schade", sagt Generalsekretär Meyer. Da sagt er mal das Richtige. cas

Peter Siebenmorgen

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