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Politik: Hannover – weit ab von Bagdad

KRIEG UND WAHLEN

Alle reden vom Irak. Aber manche blicken dabei vor allem auf Niedersachsen und Hessen. Denn die hochgehende Debatte über Krieg und Frieden überlagert nicht nur die Wahlkämpfe in den beiden Ländern. Sie modelt auch mit an Wahlen, die das Zeug dazu haben, die politische Landschaft zu verändern. Wird Realität, was nach den aktuellen Umfragen gut möglich, wenn nicht sogar wahrscheinlich ist – dass die SPD Niedersachsen verliert und Roland Koch triumphiert –, werden die Uhren in der Bundesrepublik neu gestellt. Dann reicht die Mehrheit der Union im Bundesrat fast an die Zweidrittelgrenze heran. Und die Niederlage in dem Land, aus dem der Kanzler kommt, und eine Stärkung des konservativen Flügelmannes in der CDU würde die Regierung bei ihrem Versuch, sich aus ihrem Nachwahltief herauszuarbeiten, voll treffen. Das Ergebnis würde wie ein Rollback des Bundestagswahlergebnisses wirken.

Dass es um vieles geht bei diesen Wahlen, macht die Konstellation, in der sie stattfinden, erst recht brisant. Es ist vielleicht nicht schön, möglicherweise auch zynisch, aber gar nicht zu vermeiden, dass der Irak und Bush und die umstrittene Haltung der Bundesrepublik im Sicherheitsrat sich nun mischen mit der Auseinandersetzung darüber, wer demnächst in Hannover oder Wiesbaden regieren wird. Und gemischt werden: Denn bei der bedrohlichen Lage, in der sich die SPD in Niedersachsen befindet, stellt sich die Frage, ob Schröder und Gabriel die Kriegsfurcht nicht dazu nützen werden, das Blatt doch noch zu wenden. Die Bundestagswahl ist noch zu nahe, um sich nicht daran zu erinnern, wie Schröder mit seiner strikten Absage an Bushs Pläne sich und seiner Partei doch noch den Wahlsieg sicherte.

Die Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen: Auch damals war es die gewaltige Schubkraft der Verärgerung über das wirtschaftliche Versagen und der politischen Enttäuschung über Rot-Grün, die die Union auf die Siegerstraße brachte, bis Schröder sie dank Flutkatastrophe und Anti-Kriegs-Kurs kurz vor dem Ziel noch abfing. Schon gibt es die Spekulation, ob ein Kriegsausbruch vor dem Wahltermin – und vielleicht, wie Spötter meinen, ein Schneesturm im Harz - die SPD noch retten. So könnte es dazu kommen, dass diese Wahl im Schatten des weltweiten Drohens und Bangens die Köpfe und Gemüter der Wähler zum Schauplatz eines merkwürdigen, untergründigen Ringens macht: hier das Unbehagen an der rot-grünen Politik im Bund, das die Stimmungen zugunsten der CDU gewendet hat, dort die Emotionen, die die Drohung des Krieges und die Haltung Schröders geweckt haben. Wirtschafts- und Finanz-Misere gegen Friedenssehnsucht. Der Alltag von Hannover und Wiesbaden und Berlin gegen den Irak. Was gewinnt?

Die Landtagswahlen am 2.Februar sind nicht nur, wie das in der Bundesrepublik zur Regel geworden ist, Teil-Bundeswahlen, bei denen der Bundesregierung ein Denkzettel verabreicht wird – oder auch nicht. Was in zwölf Tagen in Niedersachen und Hessen mitentschieden wird, wirft weiter gehende Fragen auf: Wie tief reicht Außenpolitik in die Innenpolitik hinein? Wie stark wiegen die wirtschafts- und sozialpolitischen Probleme der Bundesrepublik im Verhältnis zu den moralischen und Bedrohungsgefühlen, die die Menschen heimsuchen? Wie massiv ist die Enttäuschung über die Politik von Rot-Grün im Bund, wie mobilisierend wirken die moralischen bis pazifistischen Aufwallungen?

Ja, und dann gibt es noch die Fragen und Themen, um die es eigentlich bei Landtagswahlen geht – Personen, Sachfragen, das Urteil über das Geleistete und das Zutrauen in die Fähigkeit der Kandidaten. Sie haben es in der Bundesrepublik mit ihrem Zug zu gesamtstaatlichen Problemlagen, flächendeckenden medialen Erregungen und länderübergreifenden Streitpunkten nicht leicht. Andererseits gehört es zu den Erfahrungen der Länder-Wahlen, dass die Leistung der Politik doch honoriert oder ihr Versagen bestraft wird. Es gibt da einen Bereich, in dem tatsächlich über Landespolitik entschieden wird – über den Zustand der Verwaltung, die Qualität der Politiker, über Bildung, Wirtschaft und Kultur. Selten ist Landespolitik unter solchem Druck gewesen wie bei diesen Wahlen. Da muss sie standhalten.

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