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Berlins Kultursenator Klaus Lederer (Die Linke)

© dpa/Soeren Stache

Harald Martenstein: "Ich mag ab sofort Klaus Lederer"

Für die Grünen wäre die Kombi aus „Rechte einsperren“ plus „Freiheit für Islamisten“ plus „Sondersteuer für Atheisten“ ein Wahlkampfhit. Dagegen war der Veggie-Day gar nichts. Eine Glosse.

Warum habe ich in früheren Jahren mehrfach die Grünen gewählt? Weil das eine Partei war, die für Liberalität und Toleranz eintrat und gegen einen autoritären Staat. Dann musste ich feststellen, dass die Partei, wenn sie regiert, manchmal eine Tendenz zu autoritärem Verhalten entwickelt.

Jetzt hat der Innenexperte der Berliner Grünen, der Rechtsanwalt Benedikt Lux, im Abgeordnetenhaus gefordert, einen AfD-Politiker in Haft zu nehmen, ganz im Stil von Napoleon Erdogan. Bei dem Opfer, so muss man es nennen, handelt es sich um den Oberstaatsanwalt Roman Reusch. Als dessen Parteifreunde wissen wollten, ob Reusch vom Verfassungsschutz überwacht wird, rief Lux: „Einsperren wäre besser.“ Den fälligen Ordnungsruf bekam zunächst nicht etwa Lux, nein, die AfD bekam ihn, weil die Fraktion sich aufregte. Der Parlamentspräsident drohte der Fraktion sogar indirekt mit Saalverweis: „Das geht hier ganz schnell.“

Es ist in diesem Fall vollkommen egal, was man von der AfD hält. Auseinandersetzungen werden mit Argumenten geführt. Grundrechte gelten für alle oder sie sind einen Dreck wert. Will man in einem Land leben, in dem gewählte Abgeordnete einer legalen Partei mit Haft bedroht werden? Wo hört das auf, wenn man solche Anfänge zulässt? Und was wäre wohl passiert, wenn umgekehrt Reusch gefordert hätte, den Grünen Lux in den Knast zu stecken?

Und dann noch Katrin Göring-Eckhardt

Ein blöder Zwischenruf, das kann passieren – ich dachte, die Grünen distanzieren sich. Nix zu hören, bis jetzt. Die AfD, die keine Gelegenheit zur Blamage ungenutzt verstreichen lässt, nannte Lux einen „Linksfaschisten“. In Wirklichkeit ist Lux meistens ganz vernünftig. Allerdings hat er mal eine Sondersteuer für alle gefordert, die aus der Kirche ausgetreten sind. Es sei doch ungerecht, dass die keine Kirchensteuer mehr zahlen. Der nächste Schritt wäre dann wohl, dass alle Parteilosen eine Parteisteuer aufgebrummt kriegen.

Was das Einsperren betrifft, bin ich ganz der Meinung von Katrin Göring-Eckhardt: „Nur weil jemand mal einen harten Spruch macht, kann man ihn nicht gleich hinter Gitter setzen. In der DDR konnte man wegen seiner Meinung eingesperrt werden. Das möchte ich nie wieder erleben.“ Diese Sätze der Parteivorsitzenden bezogen sich allerdings auf das Inhaftieren von islamistischen Gefährdern.

Eine Linke, die ich mögen könnte, würde für die Meinungsfreiheit aller Menschen eintreten, auch der Andersdenkenden. Ich mag ab sofort den Linken-Chef Klaus Lederer, der es, im Geiste Rosa Luxemburgs, offenbar ähnlich sieht und Lux kritisiert. Für die Grünen wäre die Kombi aus „Rechte einsperren“ plus „Freiheit für Islamisten“ plus „Sondersteuer für Atheisten“ jedenfalls ein Wahlkampfhit, gegen den der Veggie-Day gar nichts war.

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