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Harald Martenstein

© picture alliance / dpa

Harald Martenstein über Angela Merkel und die SPD: Die sozialdemokratischste Kanzlerin aller Zeiten

Ein SPD-Kanzler ist so ziemlich das Unangenehmste, was der SPD passieren kann, meint Harald Martenstein. Deshalb sei die Suche nach einem eigenen Kandidaten nur Masochismus. Der Ausweg: Angela Merkel.

Die SPD diskutiert seit Wochen über ihren künftigen Kanzlerkandidaten. Soll die Partei auf einen Kandidaten verzichten, weil gegen die beim Volk hochbeliebte Angela Merkel sowieso niemand eine Chance hat? Sollen sie eine Vorwahl veranstalten, wie in den USA üblich?

Das ist alles nur Masochismus. Wer sich die jüngere deutsche Geschichte anschaut, bemerkt rasch, dass ein SPD-Kanzler so ziemlich das Unangenehmste ist, was der SPD passieren kann. SPD-Mitglieder hassen das. Helmut Schmidt war in seiner Kanzlerzeit in der Partei ziemlich unbeliebt. Für das Volk war er ein Superstar wie Angela Merkel, aber die meisten seiner eigenen Genossen hätten ihn wegen der Nachrüstungsbeschlüsse am liebsten auf den Mond geschossen. Bei Gerhard Schröder war es das Gleiche. Schröder hat mit seinen Agenda-Reformen dafür gesorgt, dass die Arbeitslosigkeit sank und die Wirtschaft besser lief, in der SPD gibt es für derartige Vorgänge den Fachbegriff „massiver Sozialabbau“. Am beliebtesten in der SPD war Willy Brandt, aber auch Willy Brandt ist nicht nur durch den Spion Guillaume gestürzt worden, sondern auch durch Intrigen seiner eigenen Genossen, vor allem durch den Fraktionschef Wehner.

Die SPD mochte ihre Kanzler nie so gerne wie das Volk sie mochte

Es ist also historisch erwiesen, dass es vor allem die SPD ist, die sozialdemokratischen Kanzlern das Leben schwer macht. Sicher wäre das ein wenig anders, wenn ein Mensch vom linken Flügel der Partei Kanzler wäre, ein echter Sozialist, der als erste Amtshandlung den Steuersatz auf 65 Prozent hochjazzt und die Banken verstaatlicht. Solche Personen sind aber erfahrungsgemäß nicht in der Lage, Wahlen zu gewinnen, die Mehrheit der Wähler findet radikale Maßnahmen nicht gut. Und wenn sie es gut finden, dann wählen sie eh die Linke. Es ist ein Dilemma. Auf Linkskurs gewinnt die SPD keine Wahlen, und wenn ein nicht so linker Kandidat tatsächlich Wahlen gewinnt, dann hassen sie ihn.

Die CDU kommt mit einer sozialdemokratischen Kanzlerin besser zurecht als die SPD

Deshalb ist seit einigen Jahren eine Sozialdemokratin Kanzlerin, die es klugerweise vermieden hat, in die für Kanzler immer schwierige SPD einzutreten. Die CDU kommt, wie sich zeigt, sogar mit einer SPD-nahen Kanzlerin deutlich besser zurecht als die SPD selbst. Es hat eigentlich noch nie eine Legislaturperiode gegeben, in der so viel Sozialdemokratisches umgesetzt wurde wie jetzt gerade, weder unter Schmidt noch unter Schröder, nicht mal unter Willy Brandt. Rente mit 63, Mindestlohn, Doppelpass, Frauenquote, Mietpreisbremse, das alles hätte es unter einem Kanzler Peer Steinbrück vermutlich nie gegeben, weil ihm seine eigenen Leute ständig Intrigengespinste zwischen die Beine geworfen hätten. Angela Merkel ist, ohne das Parteibuch, die sozialdemokratischste Kanzlerin aller Zeiten.

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