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Harald Ringstorff: Und tschüss!

Nach zehn Jahren gibt Harald Ringstorff sein Amt als Ministerpräsident von Mecklenburg-Vorpommern unspektakulär ab.

Im Ohrensessel hat Harald Ringstorff den Senioren gerade vom „Weihnachtsmann-Weltkongress“ vorgelesen. Nun plaudert er freundlich mit ihnen bei Kaffee und Kuchen. Auf Platt natürlich. Der Mann mit der knarrigen Stimme und dem Seemannsbart fühlt sich wohl bei seinen Mecklenburgern. Und es scheint, als lasse Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsident seine Amtszeit mit politisch unverfänglichen Terminen geruhsam ausklingen. Am 3. Oktober wird er, kurz nach dem 69. Geburtstag und zehn Jahre nach seinem Einzug in die Schweriner Staatskanzlei, zurücktreten. Die Frage, auf welchen Termin in den verbleibenden Tagen er sich am meisten freue, wehrt Ringstorff freundlich, aber bestimmt ab.

Trotz seiner langen Amtszeit passt die Schablone vom „Landesvater“ nicht auf Ringstorff. Gern snackte er Platt mit den Mecklenburgern und Vorpommern, hörte ihnen zu. Aber Leute zu umarmen, Kinder auf den Schoß zu nehmen oder in der Menge zu baden war nicht seine Art. Dennoch war er zweifellos beliebt.

Der Rücktritt ist so unspektakulär, wie er absehbar war. In der Schweriner SPD war es lange ausgemacht, dass Ringstorff seinem designierten Nachfolger Erwin Sellering rechtzeitig vor den Landtagswahlen 2011 Platz macht. Nur den konkreten Termin hielt Ringstorff unter Verschluss, bis er ihn am 6. August selbst verkündete. Einen einsamen, unkommunikativen Führungsstil haben parteiinterne Kritiker Ringstorff manchmal vorgeworfen. Das hatte aber stets den Vorteil, dass Personalentscheidungen nicht monatelang Gerüchte vorauswaberten. Was Kurt Beck mit der Inthronisierung von Frank-Walter Steinmeier geschah, wäre Ringstorff nie passiert.

Auch wenn so mancher nach vorne drängende Sozialdemokrat inzwischen leise mit den Hufen scharrte, geht der Regierungschef ohne verlorenen Machtkampf, ohne politische Krise. Seit 19 Jahren hätten seine Ämter ihn voll gefordert, so „dass es nun an der Zeit ist, ein paar Gänge zurückzuschalten“. Der studierte Chemiker und Fachmann für Schiffsfarben nimmt symbolträchtig am Tag der Deutschen Einheit seinen Hut, weil „ich ohne deutsche Einheit sicher nie politische Verantwortung übernommen“ hätte. 1989 gehört er in Rostock zu den Gründern der SDP, 1990 wurde er in die letzte DDR-Volkskammer gewählt. Von 1990 an war er Oppositionsführer im Schweriner Landtag, 1994 Wirtschaftsminister in der ersten von ihm so ungeliebten großen Koalition. Das hatte weniger mit grundsätzlichen politischen Differenzen als mit Antipathien gegen die handelnden Personen in der CDU zu tun. Mit dem damaligen CDU-Fraktionschef Eckhardt Rehberg verbindet ihn bis heute eine innige Feindschaft.

Bundespolitische Ambitionen hat Ringstorff nie gehabt. Gleichwohl machte er deutschlandweit Furore, als er 1998 nach der gewonnenen Landtagswahl die bundesweit erste Koalition mit der PDS einging. Obwohl er kurz nach der Wende noch gegen die SED-Nachfolger gewetterte hatte, wollte er nun – ganz Machtmensch – die politischen Schmuddelkinder „entzaubern“ und der SPD neue Mehrheiten ermöglichen.

Wenn es um die Macht für die SPD ging, war er auch mit Parteifreunden nicht zimperlich. Den glücklosen Landesvorsitzenden Till Backhaus servierte Ringstorff 2005 kurzerhand ab und bestimmte sich selbst zum Spitzenkandidaten für die Landtagswahl 2006. Inhaltlich war es allerdings stets schwer, Ringstorff beizukommen. Seine Detailkenntnisse erstaunten Kabinettskollegen wie Oppositionspolitiker. Wer über die Zukunft der Werften mit ihm diskutierte, kannte sich besser auch mit den Währungsturbulenzen im Schiffbauland Korea aus.

Seinem Nachfolger überlässt er ein Land, in dem die Arbeitslosigkeit hoch und das industrielle Potenzial niedrig ist. Aber Landwirtschaft und Tourismus boomen. Außerdem ist das eigentlich arme Mecklenburg-Vorpommern eines von drei Bundesländern mit einem sanierten Haushalt. Finanzministerin Sigrid Keler (SPD), die wie Verkehrsminister Otto Ebnet (SPD) mit Ringstorff zurücktreten wird, tilgt sogar schon Schulden. Und schulpolitisch ist im Nordosten manches Wirklichkeit, was in westlichen Bundesländern gerade mühsam eingeführt wird. Weil er mit den Sozialisten und mit den Christdemokraten regiert hat, ist der Chor der Kritiker derzeit unbedeutend.

Am Abend des 3. Oktober wird Ringstorff sich zum letzten Mal von der Schweriner Staatskanzlei zu seinem Haus in den Mecklenburger Wäldern chauffieren lassen. „Un nu ward Tied“, wird er zu seinem Fahrer sagen.

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