zum Hauptinhalt

Politik: Harsche Töne

Die SPD ist mit dem Bundespräsidenten unzufrieden – und sagt das nun auch laut

Von Hans Monath

Am Tag nach der bisher heftigsten sozialdemokratischen Attacke auf seine Politik absolvierte der Bundespräsident einen Besuch, den selbst übel meinende SPD-Politiker ihm wohl nicht zum Vorwurf machen werden: Zum ersten Mal in seiner Amtszeit sah sich Horst Köhler am Mittwoch in Duisburg in einer Agentur für Arbeit um und suchte dort auch das Gespräch mit Arbeitslosen. Daheim in der Hauptstadt schaltete sich nach FDP und CDU auch Wirtschaftsminister Glos in den Streit um das Staatsoberhaupt ein und sagte im ZDF, Köhler habe durchaus die Pflicht zu mahnen, „wenn er den Eindruck hat, es läuft manches nicht in die allerbeste Richtung“.

Es war SPD-Fraktionsvize Joachim Poß gewesen, der die ungeschriebene Regel brach, wonach zumindest Regierungspolitiker den Präsidenten nicht öffentlich kritisieren. Manchem passe „die ganze sozialstaatliche Ausprägung“ nicht, wetterte Poß: „Eine Koalition der Besserwisser: vom Bundespräsidenten bis zum Bundesbankpräsidenten“ gebe „simple Rezepte, die uns in der konkreten Wirklichkeit, in der politischen Realität nicht helfen“.

Wenn auch manche Parteifreunde Poß beim Stil zu mehr Zurückhaltung geraten hätten, im Kern seiner Kritik kann sich der SPD-Finanzfachmann der breiten Zustimmung seiner Partei sicher sein. Die Sozialdemokraten ärgern sich darüber, dass der noch zu Zeiten der rot-grünen Regierung als Kandidat von FDP-Parteichef Guido Westerwelle gewählte Präsident immer häufiger tagespolitisch interveniert – und zuverlässig gegen ihre Vorstellungswelt Front macht. So mahnte Köhler kürzlich mit Blick auf das Antidiskriminierungesetz, die Republik könne sich jetzt nicht erlauben „neue bürokratische Hemmnisse aufzubauen“.

Schon Mitte Mai hatten die „Passauer Neuesten Nachrichten“ gemeldet, die über Köhler verärgerte Sozialdemokraten verschonten den Präsidenten nur aus Rücksicht auf den Koalitionspartner und aus Achtung vor seinem Amt. Das Blatt zitierte ein SPD-Regierungsmitglied mit einem Satz, der Köhler als Gefangenen eines engen ökonomischen Denkens karikierte, der ständig nur die gleichen, wiederkehrenden Akzente setzt: „Wir haben einen Bundespräsidenten, der immer Sparkassendirektor geblieben ist.“ Ein weiterer Sozialdemokrat, der dem Fraktionsvorstand angehört, klagte darüber, dass Köhler das höchste Staatsamt nicht ausfülle: „Der Mensch Köhler und das Amt des Bundespräsidenten passen nicht zusammen.“ Zu gesellschaftspolitischen Themen sei vom Präsidenten kaum etwas zu hören: „Zuletzt ist er immer mehr abgetaucht."

Schon damals hatten sich sofort die Liberalen als Verteidiger des Staatsoberhaupts in die Brust geworfen und damit daran erinnert, dass dessen Wahl damals als Westerwelles Gesellenstück galt. Der FDP-Chef konnte im Sommer 2004 noch die Hoffnung hegen, einmal in einer schwarz-gelben Koalition mit dem Reform-Mahner Köhler zu harmonieren. Der aber steht seit 2005 bekanntlich einer anderen Regierung gegenüber. Ob es dem Bundespräsidenten gefällt, dass ihn zuallererst die FDP verteidigt, ist nicht bekannt: Aus seinem Amt gibt es zu der laufenden Debatte über die Kritik an ihm verständlicherweise keinen Kommentar.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false