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Reformbedarf. Bei Hartz-IV soll es jetzt Änderungen geben.

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Hartz-IV-Änderungen geplant: Weniger Bürokratie, strengere Auflagen

Die Regierung plant Änderungen am Hartz-IV-Gesetz. Das Ziel lautet: weniger Bürokratie. Doch die Vorschlagsliste enthält auch strengere Auflagen. Die Liste der geplanten Veränderungen ist lang.

Im nächsten Jahr wird das hochumstrittene Hartz-IV-Gesetz zehn Jahre alt. Und rechtzeitig zum Geburtstag wollen es die Regierenden, wenn schon nicht von Grund auf reformieren, so doch ein bisschen in Form bringen. Mehr Transparenz und weniger Bürokratie lautet das Motto der Vorschläge, auf die sich eine Bund-Länder-AG der Arbeits- und Sozialministerkonferenz unter Beteiligung von Kommunen und Bundesagentur für Arbeit verständigt hat. Die Liste der geplanten Rechtsvereinfachungen, die dem Tagesspiegel vorliegt und die das Bundesministerium während des Sommers in Gesetzesform gießen soll, umfasst 36 Punkte. Für die derzeit 6,1 Millionen Leistungsempfänger enthält sie beides: mehr Großzügigkeit, aber auch schärfere Vorgaben.

Der Vorstoß ziele darauf, durch Bürokratieabbau „mehr Zeit für die Betreuung der Hilfsbedürftigen zu schaffen“, versichert eine Sprecherin von Sozialministerin Andrea Nahles (SPD). Und dass es „explizit“ nicht beabsichtigt sei, den Leistungsbezug restriktiver zu gestalten. Doch genau dies werfen die Grünen der Arbeitsgruppe nun vor. „Vereinfachung im Sinne der Betroffenen sieht anders aus“, sagt ihr sozialpolitischer Sprecher, Wolfgang Strengmann-Kuhn, dem Tagesspiegel. Viele der Vorschläge basierten „vor allem auf dem Blickwinkel der Verwaltung“. Und sie schränkten die Spielräume der Menschen, die auf Grundsicherung angewiesen sind, weiter ein.

Tatsächlich mündet mancher Vorschlag zur Beseitigung unsinniger Detailhuberei für Betroffene auch in eine Verschärfung. So soll die Regelung, Hartz- IV-Bezieher beim Umzug in eine teurere Wohnung selbst dann auf den Differenzkosten sitzen zu lassen, wenn die neue Unterkunft von Größe und Preis her als „angemessen“ eingestuft wird, nun auch auf diejenigen ausgeweitet werden, die in eine „unangemessene“ Wohnung ziehen. Auch sie sollen nicht mehr die „angemessenen“, sondern nur noch die Kosten ihrer früheren, billigeren Wohnung erstattet bekommen. „Das bedeutet, dass Hartz-IV-Bezieher, die einmal sehr günstig gewohnt haben, nie mehr umziehen können“, sagt Strengmann-Kuhn – und zwar selbst dann nicht, wenn die Unterkunft „auf Dauer untragbare Nachteile“ aufweise. Hoher Lärmbelastung etwa können sie dann nur noch entkommen, wenn die ruhigere Wohnung auch billiger ist.

Von diesen Vereinfachungen profitieren Leistungsempfänger

Auch Nachzahlungen aufgrund von Grundsatzurteilen, mit denen die bisherige Verwaltungspraxis korrigiert wird, soll es künftig seltener geben. Die Politik will vermeiden, dass die Jobcenter „massenhaft Leistungen rückwirkend neu berechnen müssen“. Doch nachträgliche Ansprüche von Bedürftigen deshalb einfach zu streichen, sei „eines Rechtsstaates unwürdig“, findet Strengmann-Kuhn.

Von anderen Vereinfachungen profitieren Leistungsempfänger. So ist geplant, den monatlichen Freibetrag für Zusatzeinkommen von hundert Euro aufs Jahr hochzurechnen, um etwa auch Zinserträge von Kindersparbüchern mit zu erfassen. Die Pfändbarkeit von Hartz-IV-Bezügen soll künftig generell ausgeschlossen und nicht mehr Einzelprüfungen unterzogen werden, bei denen man ohnehin fast immer zu dem gleichen Ergebnis kam. Und auch die Sanktionen bei sogenannten „Pflichtverletzungen“ sollen entschärft werden. So ist künftig nur noch ein einheitlicher Minderungsbetrag pro Fall und unabhängig von etwaigen Wiederholungen vorgesehen. Und gesonderte Sanktionsregeln für unter 25-Jährige soll es auch nicht mehr geben. Damit kommen die Regierenden einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zuvor, das die bisherigen Sonderregeln womöglich kassiert hätte.

Insgesamt besehen sei der Ertrag der Arbeitsgruppe „mehr als dürftig“, resümiert Strengmann-Kuhn. Der Paritätische Wohlfahrtsverband sieht das genauso. Statt die wirklichen Probleme anzugehen, begnüge man sich mit „Apparatschik-Klein- Klein“ und der puren Glättung von Verwaltungsabläufen, meint Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider. „Wenn das das Ergebnis von eineinhalb Jahren Arbeit ist, dann gute Nacht Deutschland.“ Die Änderungen hätten weder zur Folge, dass Arbeitslose besser an Jobs kämen noch an die ihnen zustehenden Leistungen, sagt Schneider dem Tagesspiegel. Nötig wären mehr Dezentralisierung und mehr Kompetenzen für die Sachbearbeiter. Das funktioniere jedoch „nur mit ordentlicher Personalpolitik und nicht mit immer mehr befristeten Beschäftigungsverhältnissen in den Jobcentern“.

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