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Hartz-IV-Debatte: Westerwelle fordert Neuanfang für Sozialstaat

Allen Kritikern zum Trotz: FDP-Chef Westerwelle beharrt auf seiner Kritik an der Hartz-IV-Debatte und fordert nun einen radikalen Neuanfang in der Sozialstaatspolitik.

FDP-Chef Guido Westerwelle sieht den deutschen Sozialstaat bedroht und fordert deshalb eine völlig neue Ausrichtung der deutschen Sozialstaatspolitik. "Der Sozialstaat muss treffsicherer werden", verlangte Westerwelle im Deutschlandfunk. "Die Sozialpolitik muss umfassender diskutiert werden als nur die Frage von Regelsätzen für Hartz-IV-Empfänger."

Westerwelle forderte bessere Hilfe vor allem für die vermeintlich Schwächsten der Gesellschaft. "Wir müssen vor allen Dingen denen mehr helfen, die sich selbst nicht helfen können, insbesondere den Kindern", sagte der Vize-Kanzler. "Für mich ist die beste Sozialpolitik immer noch die Bildungspolitik, und da haben wir in Deutschland mittlerweile geradezu dekadente Erscheinungen." Eltern dürften etwa die Schulform für ihre Kinder nicht mehr selbst bestimmen. Oder in Berlin werde wegen des knappen Angebotes per Losverfahren über einen Platz am Gymnasium entschieden: Gegen all das wende er sich, sagte der FDP-Vorsitzende.

Westerwelle wiederholte auch in diesem Interview seine Worte, wonach die Arbeitnehmer mehr und mehr "zu den Deppen der Nation" würden. Zudem habe er lediglich die nachfolgende Debatte über die Finanzierbarkeit von Steuererleichterungen kritisiert. Es sei "geradezu eine zynische Debatte, wenn diejenigen, die in Deutschland arbeiten, die aufstehen, die fleißig sind, sich mittlerweile dafür entschuldigen müssen, dass sie von ihrer Arbeit auch etwas behalten möchten."

Zuvor hatte der Außenminister seinen Kritikern Scheinheiligkeit vorgeworfen. "Die Kritik von links an meinen Aussagen ist scheinheilig. Ich habe nichts zurückzunehmen", sagte er. "Im Gegenteil: Die mich jetzt am lautesten beschimpfen, haben den Murks bei Hartz IV doch selber produziert. Hartz IV ist schließlich eine Erfindung von Rot-Grün."

Westerwelle wies auch den Vorwurf der sozialen Kälte zurück. Seine Partei habe gleich zu Beginn der neuen Regierung "die gröbsten Ungerechtigkeiten beseitigt" und das Schonvermögen bei Hartz IV verdreifacht. "Die FDP hat in den ersten 100 Tagen mehr soziale Verantwortung gezeigt als meine Kritiker in den letzten 11 Jahren."

Der Außenminister und Vizekanzler erntete für seine scharfen Äußerungen in der Hartz-IV-Debatte weiter Widerspruch auch aus den Reihen des Koalitionspartners CDU. Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich wies seine Aussagen über Langzeitarbeitslose zurück. Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen ging erneut auf Distanz: Sie hält Westerwelles Einlassungen für überflüssig. Der frühere CDU-Generalsekretär Heiner Geißler nannte den Vizekanzler einen "Esel".

Selbst in der eigenen Partei gerät Westerwelle unter Druck. Sein Stellvertreter im Parteivorsitz Andreas Pinkwart forderte ihn angesichts sinkender Umfragewerte auf, die Macht in der Partei zu teilen. "Die Parteiführung ist stärker im Team gefordert. Die FDP muss mehr Gesichter in den Vordergrund stellen", sagte Pinkwart. Er denke dabei vor allem an Mitglieder der Regierung, aber auch an einige Landespolitiker. "Dazu gehört, dass die Partei es aushält, wenn sich Persönlichkeiten aus der engeren Führung profilieren", betonte er, der Westerwelles Warnungen vor einem ausufernden Sozialstaat allerdings verteidigte.

Quelle: ZEIT ONLINE, dpa, AFP, Reuters

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