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Zehn Jahre gibt es Hartz IV schon - acht Mal wurde das Gesetz bereits novelliert.

© dpa

Hartz IV: Koalition legt Novelle auf Eis

SPD und Union kommen bei der Vereinfachung der Hartz-IV-Vorschriften nicht voran. Gestritten wird vor allem über die Sanktionen. Der Gewerkschaftsbund mischt sich nun mit neuen Vorschlägen ein.

Auch zehn Jahre nach der Einführung bleibt Hartz IV eine Dauerbaustelle. Die große Koalition bereitet derzeit unter dem Stichwort „Rechtsvereinfachungen“ die neunte Novelle des Sozialgesetzbuches II vor. Mehr als ein Jahr lang haben Vertreter von Bund und Ländern beraten, wie sich die Hartz-IV-Vorschriften vereinfachen lassen, am Ende legten sie eine Liste mit 36 Vorschlägen vor. Doch weil SPD und Union sich bislang nicht einigen konnten, haben sie das Gesetzesvorhaben erst einmal auf Eis gelegt. Umstritten sind vor allem Änderungen bei den Sanktionen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) mischt sich nun in die Debatte mit einem Positionspapier ein, das dem Tagesspiegel vorliegt. „Das Hartz-IV-System kommt auch nach zehn Jahren nicht wirklich zur Befriedung“, heißt es in der Analyse. Die häufigen gesetzlichen Änderungen, die komplizierten Bestimmungen und die auch personell schwierige Situation in den Jobcentern hätten dazu geführt, dass keine Ruhe einkehre. „Die Verwaltungsabläufe binden zu viele Ressourcen, die dann in der eigentlichen Fallbearbeitung fehlen“, schreiben die Autoren.

Keine Zwangsverrentung mehr

Der DGB setzt sich zum einen dafür ein, die „Zwangsverrentung“ von älteren Hartz-IV-Beziehern zu beenden. Derzeit sind diese verpflichtet, ab dem 63. Geburtstag eine vorgezogene Altersrente zu beantragen, mit entsprechenden Abschlägen. „Da werden Menschen, die jeden Euro gebrauchen können und arbeiten wollen, gegen ihren Willen vorzeitig in Rente geschickt“, kritisiert DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach. Nicht zuletzt widerspreche diese Praxis der sonst von der Bundesregierung betonten Notwendigkeit längerer Lebensarbeitszeiten. „Wer die Rente mit 67 fordert, kann Arbeitslose nicht zwangsweise mit 63 Jahren vom Arbeitsmarkt abdrängen“, heißt es in dem Papier.

Die geltende Regelung hat aber auch Auswirkungen auf die Statistik. Denn wer die vorgezogene Rente beantragt, wird nicht mehr als arbeitssuchend gezählt. Eine „ehrlichere Arbeitslosenstatistik“ könnte nach Ansicht des DGB auch durch die Abschaffung des Paragrafen entstehen, wonach ältere Hartz-IV-Empfänger aus der Statistik gestrichen werden können, wenn das Jobcenter ihnen innerhalb des vergangenen Jahres kein Arbeitsangebot unterbreiten konnte.

Ein abgestuftes Sanktionssystem für die Jungen

Zum anderen fordert der DGB eine Entschärfung der Sanktionen sowie die Möglichkeit, im Einzelfall auch „positive Anreize“ zu setzen, etwa durch Zusatzleistungen wie ein ÖPNV-Ticket als Hilfe für die Jobsuche. „Die Wissenschaft ist sich einig, dass positive Anreize viel mehr voranbringen, etwa bei erfolgreich absolvierten Weiterbildungsmaßnahmen“, sagt Gewerkschafterin Buntenbach.

Union und SPD hatten sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf verständigt, zumindest die verschärften Sanktionsregeln für junge Hartz-IV-Empfänger zu überprüfen. Derzeit kann unter 25-Jährigen bei Pflichtverletzungen der Regelsatz für drei Monate komplett gestrichen werden. Das Jobcenter zahlt dann nur noch die Miete und gewährt allenfalls Sachleistungen. Bei der dritten Pflichtverletzung können sogar die Unterkunftskosten gestrichen werden. Eine Regelung, die auch Jobvermittler nicht für sinnvoll halten, wie eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt. Die komplette Streichung von Hartz IV zwinge junge Leute oft zur Verschuldung oder fördere die Kleinkriminalität. Nach Ansicht der befragten Jobvermittler hätte ein abgestuftes Sanktionssystem wie bei erwachsenen Arbeitslosen einen größeren erzieherischen Effekt.

Ob es zu dieser Angleichung der Sanktionen kommt, ist allerdings noch offen. Gegen das Vorhaben von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) gibt es deutlichen Widerstand in der Union. Ursprünglich sollte sich das Kabinett bereits Anfang November vergangenen Jahres mit dem Gesetzentwurf zu den Rechtsvereinfachungen befassen. Ein neuer Termin steht noch nicht in Aussicht. „Unverständlich“ findet das die DGB-Vertreterin Buntenbach: Von dem immer wieder propagierten Gleichgewicht zwischen „Fordern und Fördern“ könne nach wie vor keine Rede sein.

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