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Politik: Hauptstadt zu verschenken

DIE BERLINER CDU

Von Lorenz Maroldt

Eigentlich könnte es einem ja ziemlich egal sein, was die Berliner CDU gerade so treibt. Sie ist zu klein und zu desorientiert, um in naher Zukunft die Stadt mitzuregieren, und die nächsten Wahlen sind weit. Man darf wohl sagen: zum Glück für die Partei.

Aber was sich hier anbahnt, ist mindestens ebenso spannend wie das, was der Senat gerade treibt, und es ist bedeutsam. Für die CDU selbst, für Berlin – und für das noch immer diffuse Verhältnis der Hauptstadt zum Land.

Auf den ersten Blick scheint in der Berliner Union ein ganz banaler Machtkampf zu schwelen, in dessen Zentrum der Fraktionsvorsitzende Steffel und der Landesvorsitzende Stölzl stehen. Bei näherer Betrachtung aber zeigt sich, dass es einer frechen Parteiguerilla immer besser gelingt, sich einzumischen, die alte Ordnung durcheinander zu wirbeln und die CDU vor eine grundlegende Entscheidung zu stellen: Will sich die Partei lösen von ihrer Rolle als Besitzstandsverwalter des schwerfälligen, staatsorientierten alten Berlin? Will sie die Entwicklung einer selbstbewussten, eigenständigen Bürgergesellschaft vorantreiben? Will sie die Rolle der Hauptstadt sowie die Pflichten und Durchgriffsrechte des Bundes neu definieren? Oder will sie stattdessen einfach nur irgendwie, irgendwann wieder mitregieren, wenn die rotrote Koalition nicht mehr kann?

Der Kreis um den Berliner Bundestagsabgeordneten Nooke, der diese Fragen forciert, hat eigentlich gar nichts Rebellisches an sich. Er besteht aus CDU-Mitgliedern, die meist nach dem Mauerfall und oft mit dem Hauptstadttross gekommen sind. Mit offenen Armen wurden sie nicht empfangen. So entstand die Idee von einem eigenen „Gesprächskreis Hauptstadt-Union“. Welche Bedeutung er mittlerweile schon hat, zeigt sich sehr schön an den Abwehrkräften, die er in der Partei gerade entfesselt. Der Landesvorsitzende Stölzl, dort selbst vor einem halben Jahr noch arglos-klaglos als Redner zu Gast, hält den Namen des Kreises heute plötzlich für eine Anmaßung – was er ja durchaus auch ist. Und die kleine Berliner CDU-Bundestagsgruppe wählte Nooke wegen seiner Rolle in dieser anmaßenden Runde als ihren Gruppenvorsitzenden zur Strafe gleich ab – das ist ihr gutes Recht. Der Gesprächskreis Hauptstadt-Union darf sich damit von der Gremienpartei offiziell anerkannt fühlen.

Wolfgang Schäuble, vor einem guten Jahr beinahe Spitzenkandidat der Berliner CDU, hat dem Landesverband dreierlei empfohlen: Sich enger an die Bundespartei zu binden, deren Präsidiumsmitglied er ist; es mit neuem Führungspersonal zu versuchen; und, vor allem, mehr Mut zu zeigen. Man wird daraus schließen dürfen, was die CDU vom derzeitigen Zustand der Berliner Parteifreunde hält, auch deshalb, weil Schäuble dies nicht irgendwo sagte, sondern vorm Gesprächskreis Hauptstadt-Union. Schäuble kennt die Thesen, die dort vorgestellt wurden. Sie sind zum Teil radikal, nicht nur was das Sparen betrifft. Es geht um die Idee, Berlin zu verschenken, im wahrsten Sinne des Wortes. Das betrifft Grundstücke und repräsentative Gebäude, die privaten Investoren, vor allem aber dem Bund und den Ländern kostenlos überlassen würden. Dahinter steckt ein eigenes Hauptstadtverständnis, ein anderes Bild von Nation: Berlin gehört allen, und alle sind deshalb mitverantwortlich – auch für die Schulden. Berlin: ein nationales Soll und Haben.

Als Programm taugt das allein noch nicht. Aber die Zumutung, über die Thesen nachzudenken, war die Anmaßung wert. Die CDU hat jetzt Zeit, sich darauf einzulassen. Und sie kann nur profitieren. Wie die Stadt. Denn der Senat muss sich auch an der Opposition messen lassen. Je besser die ist, desto besser für alle.

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