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Smartphone-Nutzer in einer S-Bahn (Symbolbild)

© dpa/Hauke-Christian Dittrich

Update

Hauptstadtlage: Eine neue Handynummer als einziger Ausweg

Der mutmaßliche Täter ist gefasst, doch vom Datenhack betroffene Politiker müssen weiter mit den Folgen leben: Unbrauchbare Smartphones, exponierte Familien.

Von Robert Birnbaum

Dass sich der Politiker-Datenhack als übler Dumme-Jungen-Streich erweist, ist eine Sache. Für die Betroffenen macht es allerdings keinen Unterschied, ob ein Hacker im Auftrag böser Mächte oder ein Schüler ihre Kontakte öffentlich gemacht hat. Die geleakten Daten werden im Netz tausendfach geteilt – und oft in denunziatorischer Absicht genutzt. Eine Reihe von Spitzenpolitikern kann ihre Smartphones momentan praktisch nicht benutzen.

Es geht ihnen wie den Grünen Robert Habeck und Annalena Baerbock, die seit dem Wochenende und über die Grünen-Klausurtagung hinweg bis zum Wechsel ihrer Telefonnummern im Sekundentakt Emails, SMS und anonyme Anrufe bekommen haben. Großenteils beleidigend, aber auch rechtsradikalen Inhalts.

Auch Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel wird permanent angerufen und mit hunderten SMS-Botschaften bombardiert – darunter üble Beschimpfungen und offene Drohungen mit Gewalt, meist mit Klarnamen-Absender.

„Ich bin ja viel gewohnt“, sagte er der Tagesspiegel-Morgenlage, „aber das schlägt alles Erlebte.“ Jetzt haben Ermittler neue Arbeit – Gabriel hat die übelsten Messages an die Polizeibehörden weitergeleitet.

Andere überlegen, wie sie ihre plötzlich exponierte Familie wieder schützen können. Für das praktische Leben erscheint eine neue Handynummer als einziger Ausweg. Wer jemals die eigene Nummer geändert hat, weiß um den Aufwand, bis alle wichtigen Kontaktpersonen die neue kennen.

Christdemokrat mit Fernziel Kanzleramt

Auf einem ehrenvollen dritten Platz im Rennen um den CDU-Vorsitz lässt sich aufbauen. Das denkt sich wohl auch Jens Spahn und holt den Soziologen und Buchautoren Timo Lochocki („Die Vertrauensformel“) in sein Ministerium. Von Gesundheitspolitik hat Lochocki keine Ahnung – er ist vielmehr Experte für den Kampf gegen Rechtspopulisten.

Damit passt er gut zu Spahns persönlichem Wahlkampfthema um den Parteivorsitz: Wie umgehen mit der Migration und den Erfolgen der AfD? Die Personalie Lochocki zeigt, dass er die Linie weiter verfolgen will. Zulässig ist das fachfremde Engagement. Schließlich, wenn jeder Vizekanzler von der SPD sich eine Grundsatzabteilung halten darf, warum dann nicht auch ein Christdemokrat mit dem Fernziel Kanzleramt?

Ohnehin ist offen, ob besagter Vizekanzler diesem Fernziel so viel näher ist. Zumal Spahn gute Chancen hat, dass seine neue Parteichefin Annegret Kramp-Karrenbauer seinen Vorstoß zur Organspende demnächst zum Exempel für ihre neue Diskussionskultur macht nach dem Motto: Erst die Partei und die Fraktion, frühestens danach das Kabinett. Gut möglich zwar, dass der Gesundheitsminister mit der Idee scheitert, Organentnahmen künftig zu erlauben, so lange jemand nicht ausdrücklich widerspricht. Aber die alte Bauernweisheit des Journalismus – „Bad news is good news“, schlechte Nachrichten sind gut fürs Geschäft – gilt übertragen auch für die Politik: Besser noch eine ehrenvolle Niederlage als gar nicht in der „Tagesschau“.

Dieser Report kommt gerade richtig

Im Sinne dieser Journalistenweisheit hat die Bundeskanzlerin umgekehrt alle Chancen, dass ihr Besuch in Griechenland heute und morgen weitgehend unbemerkt bleibt. Nicht mal mehr mit Hitler-Vergleichen auf Athener Titelseiten muss Angela Merkel rechnen. Den Ärger über die harten EU-Reformauflagen kriegt dafür Regierungschef Alexis Tsipras ab. Dem zum eisernen Realo gewandelten Ex-Linkspopulisten droht bei der Parlamentswahl im Herbst ein Debakel. Das wird dann logischerweise wieder eine Nachricht.

Fühlt es sich bei Ihnen auch ein bisschen füllig um die Hüfte an, nach den Feiertagen? Da kommt der Ernährungsreport der Bundesregierung gerade richtig: Die Deutschen legen in Umfragen großen Wert auf gesundes Essen, an der Supermarktkasse hingegen nicht. Für Befürworter einer „Lebensmittel-Ampel“, die Produkte als mehr oder weniger gesund kennzeichnet, ist das ein gefundenes Fressen. Wahrscheinlich haben sie recht. Andererseits: Wer sich den nonchalanten Umgang des Normalberliners mit roten Fußgängerampeln anschaut...

Die Hauptstadtlage von Maria Fiedler und ihrem Team ist Teil der Tagesspiegel-Morgenlage, dem Nachrichtenüberblick für Politik-Entscheider. Kostenfrei anmelden kann man sich hier. In unserem Podcast "Fünf Minuten Berlin" erklärt Maria Fiedler zudem, um was es in der Hauptstadtlage geht.

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