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Wladimir Putin, Präsident von Russland, bei seiner Rede zur Lage der Nation.

© Alexander Nemenov/AFP

Hauptstadtlage: Putins Theaterdonner fürs heimische Publikum

Deutschlands scheinheilige Rüstungspolitik, Orban als Gefahr für Manfred Weber und Putins Drohgebärden – das lesen Sie in unserem Nachrichtenüberblick.

Von Robert Birnbaum

Wer hierzulande – sagen wir: in einem bayerischen Bierzelt – Donald Trumps Amerika bescheinigt, dass sich Europa auf den einst engsten Verbündeten nicht mehr verlassen kann, darf auf Riesenbeifall rechnen. Zieht die gleiche Bundeskanzlerin aus der Erkenntnis Konsequenzen, ebbt der Applaus sofort ab.

Von europäischen Standards für Rüstungsexporte zum Beispiel mag der Koalitionspartner SPD so gar nichts hören. Die würden sich auch kaum an strengen deutschen Vorgaben orientieren, sondern am französisch-britischen Verständnis: Rüstungsexport ist Außen-, also kalte Realpolitik. In Paris und London ist man es ohnehin leid, dass die Deutschen zwar gerne an gemeinsamen Projekten wie dem Kampfflugzeug der Zukunft partizipieren, aber moralisch werden, sobald es ans weltweite Vermarkten der sündteuren Investition geht.

Doch Unabhängigkeit vom ungezogenen großen Bruder hat nun mal ihren Preis. Manchmal kostet sie Koalitions- und Seelenfrieden.

Unter Briten

Die Briten sind im Moment sowieso besonders schwierig: Noch 36 Tage und nichts in Sicht, was einen harten Brexit verhindert. Wera Hobhouse, Geburtsort Hannover, jetzt Wahlkreis Bath, ist selbst als Abgeordnete im britischen Parlament nur eine kleine Nebenfigur in dem großen Drama ihrer neuen Heimat.

Aber manchmal sieht man Dinge vom Rand aus klarer als im Zentrum des Geschehens. Meine Kollegin Deike Diening hat Hobhouse in ihrer Reportageserie aus London begleitet und sich von ihr beschreiben lassen, wie im Unterhaus die Stimmung schlagartig vereist, sobald Theresa May den Saal betritt, wieso Oppositionsführer Jeremy Corbyn an die „linken Schluffis“ an der Uni erinnert und was der Früchtekuchen zum traditionellen Fünf-Uhr-Tee mit der britischen Verhandlungstaktik zu tun hat.

Viktor Orban schadet Manfred Weber

Doch auch die kontinentale EU hat schwierige Charaktere zu bieten. Viktor Orban war bis vor kurzem bei der CSU ein gern gesehener Gast. Inzwischen ist der Ungar auf dem besten Weg, dem CSU-Mann Manfred Weber bei der Europawahl die Chancen zu verderben. Denn Orban wütet immer ungehemmter gegen die EU und unterstellt jetzt Kommissionschef Jean-Claude Juncker persönlich, „illegale Einwanderung“ zu fördern.

Dem Luxemburger platzte der Kragen: Orbans Fidesz-Partei habe in der Europäischen Volkspartei (EVP) nichts mehr zu suchen. Weber bleibt jetzt die Wahl zwischen Pest und Cholera. Als EVP-Spitzenkandidat kann er eigentlich die Fidesz-Stimmen gut gebrauchen, um Junckers Nachfolger als Kommissionspräsident zu werden. Aber ein giftender Orban im Nacken droht ihm den pro-europäischen Wahlkampf zu verhageln.

Putin droht den USA

Reden zur „Lage der Nation“ werden neuerdings zu Ereignissen, bei denen anderen Nationen schon vorher mulmig ist. Trump hat sich neulich noch gezügelt, Orban nicht. Wladimir Putin nutzte seine Ansprache gestern zur Drohgebärde: Sollten die USA und die Nato auf die Idee kommen, neue Atomwaffen in Europa zu stationieren, werde Russland das nicht nur mit Gleichem vergelten, sondern auch die USA verstärkt ins Visier nehmen.

Nun hat die Nato erklärtermaßen gar nicht vor, neue Atomraketen aufzustellen. Aber Fakten gehören ja neuerdings zu den Dingen, die von Rednern zur „Lage der Nation“ generell nicht so wichtig genommen werden.

Die Hauptstadtlage von Maria Fiedler und ihrem Team ist Teil der Tagesspiegel-Morgenlage, dem Nachrichtenüberblick für Politik-Entscheider. Kostenfrei anmelden kann man sich hier. In unserem Podcast "Fünf Minuten Berlin" erklärt Maria Fiedler zudem, um was es in der Hauptstadtlage geht.

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