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Haushalt: Mehr Geld für Bildung

Der Bund will mehr für Bildung ausgeben als geplant. Wo steht die Bildungsrepublik Deutschland?

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In einem sind sich Bund und Länder einig: Ab 2015 sollen jährlich 16 Milliarden Euro zusätzlich zu den bisherigen Ausgaben für Bildung und Forschung investiert werden, dann sei das Ziel eines zehnprozentigen Anteils am Bruttoinlandsprodukt (BIP) erreicht. Immerhin ein Ergebnis des Bildungsgipfels, zu dem sich die Länderchefs und die Bundesregierung am Mittwoch trafen. Genaue Einzelheiten, wie das alles finanziert werden soll, werden wohl erst im kommenden Jahr geklärt. Aber es gibt bereits jetzt etwas, das von dieser Einigung am Freitag im Bundesrat profitieren könnte: das Wachstumsbeschleunigungsgesetz.

Wie viel Geld gibt es genau und reicht das?

Die schwarz-gelbe Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, dass der Bund in dieser Legislaturperiode, also bis 2013, insgesamt zwölf Milliarden Euro für Bildung und Forschung ausgeben will, das sind jedes Jahr zusätzlich im Schnitt drei Milliarden Euro. Das heißt, um das Ziel, ab 2015 jährlich 16 Milliarden Euro zusätzlich auszugeben, müssten sich Länder, Kommunen und Private die Differenz von 13 Milliarden jährlich teilen. Nun will der Bund von dieser Summe noch einmal dauerhaft 40 Prozent übernehmen (weitere 5,2 Milliarden Euro). Wie das Geld aber zu den Ländern kommt, ist noch umstritten. Der Bund will konkrete Projekte in den Ländern finanzieren. Die Länder dagegen wollen lieber selbst entscheiden, welche Programme für sie wichtig sind. Darum wollen sie die 5,2 Milliarden Euro lieber als einen höheren Anteil an der Mehrwertsteuer bekommen. Der Streit soll im Juni 2010 entschieden werden.

Das Geld des Bundes soll zur Hälfte auf Forschung und Bildung verteilt werden. In der Forschung sind weitere Maßnahmen im Rahmen der bereits in der vergangenen Legislaturperiode von der Bundesregierung angeschobenen „wirtschaftsnahen Hightech-Strategie“ denkbar. Im Bildungswesen sollen alle Stufen berücksichtigt werden – von der Kita bis zur Weiterbildung –, dabei sollen speziell leistungsschwache Kinder bedacht werden.

Bildungsexperten der Opposition und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft befürchten, dass die Länder wegen der geplanten Steuersenkungen Geld in der Bildung sparen müssen, es also bestenfalls zu einem Nullsummenspiel für sie kommt: „Beim Bildungsgipfel gibt man ihnen mit der einen Hand das Geld zurück, was man ihnen mit der anderen Hand wegnimmt“, sagt die SPD-Bundestagsabgeordnete Ulla Burchardt. Vor allem wird die angepeilte Summe von 16 Milliarden Euro als ohnehin zu niedrig kritisiert. Zum einen wird den Finanzministern der Länder und des Bundes vorgeworfen, sie hätten die jetzigen Bildungsausgaben durch „Rechentricks“ so hochgerechnet, dass die nötige Differenz zum Zehn-Prozent-Ziel kleiner ausfalle, als sie tatsächlich ist. Zum anderen ist aber auch die Orientierung am BIP in der Kritik: Die Wirtschaft ist in diesem Jahr um fast fünf Prozent geschrumpft. Würde man sich am Jahr 2007 orientieren, müsste man ab 2015 statt der jetzt veranschlagten 16 Milliarden Euro jährlich 40,2 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung ausgeben. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat zum Bildungsgipfel 2008 in Dresden selbst die Zahl von 60 Milliarden Euro genannt. Die OECD geht davon aus, dass Deutschland jährlich 32 Milliarden Euro mehr für Bildung und Forschung ausgeben müsste.

Was sind die wichtigsten Projekte?

Ein zentraler Punkt ist, dass der Bund „flächendeckend jedem Kind mit Sprachdefiziten eine angemessene Förderung noch vor der Einschulung“ eröffnen will. Er stellt in Aussicht, die Hälfte der dafür anfallenden Kosten zu übernehmen, die Länder sollen die andere übernehmen. Wann ein Kind gefördert werden muss, soll durch Sprachtests festgestellt werden, die auf „gemeinsam zu vereinbarenden Standards“ beruhen. Das Angebot des Bundes verweist darauf, dass trotz aller Bekundungen nach dem Pisa-Schock von 2001 die vorschulische Sprachförderung der Länder noch immer massive Lücken aufweist.

Im Schulwesen hält der Bund sich aus verfassungsrechtlichen Gründen zurück. Bisher hat er erklärt, die Länder sollten die Qualität der Nachmittagsangebote an Ganztagsschulen verbessern. Dafür will der Bund Lehrerbildungszentren an Hochschulen finanziell unterstützen.

Die Hochschulen kranken seit Jahrzehnten an einem miserablen Betreuungsverhältnis zwischen Studenten und Dozenten. Der Bund stellt ein Sonderprogramm in Aussicht. Entscheidend ist das finanzielle Volumen. Der Wissenschaftsrat hält für die Verbesserung der Lehre im Bachelor jährlich mindestens 1,1 Milliarden Euro notwendig.

Was ist das Kooperationsverbot?

Die Opposition wirft der Bundesregierung vor, „dass die meisten ihrer Maßnahmen für den Bildungsgipfel keine saubere verfassungsrechtliche Grundlage haben“, wie SPD-Politikerin Burchardt sagt. Denn seit der Föderalismusreform I im Jahr 2006 gilt das von der Union durchgesetzte Kooperationsverbot des Artikels 104b im Grundgesetz: Der Bund darf sich weder finanziell noch inhaltlich im allgemeinbildenden Schulwesen engagieren. Dort gilt die ausschließliche Gesetzgebungszuständigkeit der Länder. So könnte der Bund heute nicht mehr in Baumaßnahmen für Ganztagsschulen investieren, wie es die rot-grüne Regierung nach 2003 mit einem Vier-Milliarden-Programm gemacht hat. Allerdings lockerte die Föderalismusreform II, die im August 2009 in Kraft trat, das Kooperationsverbot. Bund und Länder können demnach jetzt finanziell im Schulwesen zusammenarbeiten – aber nur in Zeiten von Naturkatastrophen- und Wirtschaftskrisen. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) hat gerade erst erklärt, dass sie das Kooperationsverbot für falsch hält. Allerdings erlaubt das Grundgesetz dem Bund, mit Zustimmung der Länder Programme für mehr Studienplätze und für die Lehre aufzulegen.

Was hat das Wachstumsbeschleunigungsgesetz mit dem Bildungsgipfel zu tun?

Einen Eindruck versuchten am Mittwochmorgen – vor Beginn des Treffens der Länder-Regierungschefs mit Merkel – alle Beteiligten zu zerstreuen: Dass es ein Bildungsgipfel wird, bei dem es überhaupt nicht in erster Linie um das wichtige Thema Bildung geht. Schavan sagte, das Thema Bildung sei zu schade, „um irgendwie mit anderen Themen verwurstet zu werden. So als täten wir nichts, gäbe es das Wachstumsbeschleunigungsgesetz nicht“. Und auch der Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz und rheinland-pfälzische Regierungschef Kurt Beck (SPD) meinte, er werde sich „nicht einreden lassen, dass Leistungen als Kompensation angerechnet werden, die der Bund bereits beim Bildungsgipfel in Dresden vor einem Jahr zugesagt hat“.

Bei genauerer Betrachtung ging es beim Treffen der Länderchefs mit der Kanzlerin allerdings doch in erster Linie um den Preis, den der Bund zu zahlen bereit ist, damit sein Wachstumsbeschleunigungsgesetz den Bundesrat am Freitag passieren kann. Im Kern steht die Frage: Auf welcher föderalen Ebene – Bund oder Länder – werden welche Aufgaben erfüllt. Und wo ist das Geld dazu vorhanden. Die Länder klagen nun im aktuellen Steuerstreit darüber, dass sie immer mehr Aufgaben zu erfüllen haben, der Bund ihnen aber durch sein Steuergesetz die dazu notwendigen Einnahmen klaut. Das ist zwar bei genauerer Betrachtung nicht richtig. Denn die Berechnung der Deckungsquote (das Verhältnis von Aufgaben und Finanzausstattung) zeigt seit Jahren, dass es der Bund ist, der im Vergleich zu den Ländern mehr Aufgaben wahrnimmt, als er Geld hat. Konkret „schuldeten“ die Länder dem Bund 2007 allein zehn Milliarden Euro.

Obwohl Bildung in erster Linie Länderaufgabe ist, will der Bund nun einen weit größeren Teil der für die kommenden Jahre geplanten Bildungs- und Forschungsaufgaben finanzieren, als er eigentlich müsste. Nicht mal zehn Prozent der Gesamtausgaben trägt der Bund derzeit.

Und auch, wenn keiner der Gipfelteilnehmer das so verstanden wissen will, so ist das Angebot des Bundes beim Bildungsgipfel doch ein klarer Hinweis der Kanzlerin an die Länder: Wir finanzieren auch in Zukunft mehr, als wir eigentlich müssten. Und dafür unterstützt Ihr unsere Steuerpolitik. Beweisen können die Länderchefs ihre Begeisterung am Freitag: Dann wird im Bundesrat über das Wachstumsbeschleunigungsgesetz abgestimmt.

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