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Zerstörte Häuser min Lyssytschansk (Foto vom 17. Juni 2022)

© Reuters/Oleksandr Ratushniak

Update

Heftige Gefechte in der Ostukraine: Pro-russische Separatisten haben Lyssytschansk wohl erobert

Im Ukraine-Krieg erreicht Moskau offenbar ein großes Ziel. Mit dem Fall der letzten Großstadt dürfte die Region Luhansk nun unter russischer Kontrolle stehen.

Nach wochenlangen Gefechten haben pro-russische Separatisten nach eigenen Angaben die Stadt Lyssytschansk im ostukrainischen Gebiet Luhansk vollständig umzingelt und mutmaßlich bereits eingenommen.

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Gemeinsam mit russischen Soldaten hätten die Separatisten das Gebäude der Stadtverwaltung unter ihre Kontrolle gebracht, hatte Separatistenvertreter Andrej Marotschko am Samstagabend der russischen Nachrichtenagentur Interfax gesagt.

Beobachter gehen zudem davon aus, dass sich die ukrainischen Truppen inzwischen bereits vollständig zurückgezogen haben. Zu den Meldungen gibt es bisher weder eine Mitteilung des ukrainischen Generalstabs noch aus dem russischen Verteidigungsministerium.

Allerdings zeigen Videos und Fotos in sozialen Netzwerken pro-russische Truppen im Zentrum der Stadt. Zuvor hatte bereits der Präsident der russischen Teilrepublik Tschetschenien, Ramsan Kadyrow, von der Eroberung des Stadtkerns gesprochen. Unabhängig überprüfen ließen sich derlei Angaben nicht.

Zuvor hatte Separatistenvertreter Marotschko erklärt zusammen mit russischen Truppen seien „heute die letzten strategischen Hügel“ erobert worden. „Damit können wir vermelden, dass Lyssytschansk vollständig eingekreist ist.“

Die ukrainische Seite spricht zwar auch von heftigen Gefechten, bezeichnet die Stadt aber weiter als umkämpft. Der Gouverneur des Luhansker Gebiets, Serhij Hajdaj, teilte mit, die Russen versuchten, Lyssytschansk von verschiedenen Seiten aus zu stürmen.

Ukrainische Soldaten sprachen am Samstag von einem systematischen Beschuss von Gebäuden der Stadt durch russische Artillerie. „Die russische Taktik besteht momentan darin, jedes Gebäude zu beschießen, in dem wir uns befinden könnten. Wenn sie es zerstört haben, gehen sie zum nächsten über“, sagte ein Soldat der Nachrichtenagentur Reuters in der Stadt Konstjantyniwka westlich von Lyssytschansk. Die ukrainische Armee könne die Straße zur Versorgung von Lyssytschansk bisher trotzdem offenhalten.

Lyssytschansk ist der letzte große Ort im Gebiet Luhansk, den die ukrainischen Truppen zuletzt noch gehalten haben. Die Eroberung des Gebiets war eines der erklärten Ziele Moskaus in dem bereits seit mehr als vier Monaten andauernden Krieg.

In der vergangenen Woche hatte das ukrainische Militär die nur durch einen Fluss von Lyssytschansk getrennte Großstadt Sjewjerodonezk aufgeben müssen. Beide Städte gehören zur Region Luhansk, eine der beiden Teilregionen des Donbass.

Sollten die russischen Truppen auch Lyssytschansk tatsächlich eingenommen haben, wäre die Region Luhansk vollständig von pro-russischen Truppen besetzt. Anschließend könnten diese Kramatorsk und Slowjansk in der zweiten Donbass-Teilregion Donezk ins Visier nehmen.

Russische Truppen attackieren auf breiter Front

Auch andernorts im Osten der Ukraine setzte Russland seine Angriffe auf breiter Front fort. Das Verteidigungsministerium in Moskau behauptete, bei Luftangriffen seien mehrere ukrainische Waffenlager zerstört worden.

Der ukrainische Generalstab in Kiew berichtete, in der Umgebung von Charkiw - der zweitgrößten Stadt des Landes - versuche die russische Armee, mit Unterstützung der Artillerie verlorene Positionen zurückzuerobern. Angaben aus den Kampfgebieten lassen sich unabhängig kaum prüfen.

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Bei Raketenangriffen auf die Stadt Slowjansk mit mindestens vier Toten soll Russland nach ukrainischen Angaben in der Nacht zum Samstag verbotene Streumunition eingesetzt haben. Dabei seien zivile Bereiche getroffen worden, in denen es keine Militäranlagen gebe, berichtete Bürgermeister Wadym Ljach im Messengerdienst Telegram.

Als Streumunition werden Raketen und Bomben bezeichnet, die in der Luft über dem Ziel bersten und viele kleine Sprengkörper freisetzen. Ihr Einsatz ist völkerrechtlich geächtet.

Briten vermuten Einsatz ungenauer russischer Raketen

Nach britischer Einschätzung setzt Russland in der Ukraine zunehmend auf ungenaue Raketen. Grund sei wohl, dass die Vorräte an modernen, zielgenauen Waffen schwinden, so das Verteidigungsministerium in London.

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Auf Überwachungsaufnahmen sei zu sehen, dass ein Einkaufszentrum in der ostukrainischen Stadt Krementschuk sehr wahrscheinlich von einer Rakete des Typs Ch-32 getroffen worden sei. Dabei handele es sich um eine Weiterentwicklung der sowjetischen Rakete Ch-22, die aber noch immer nicht dafür optimiert sei, Bodenziele genau zu treffen. In Krementschuk wurden bei dem Angriff am Montag mindestens 20 Menschen getötet.

Großbritannien protestierte nach Berichten über die Gefangennahme zweier weiterer Briten im Osten der Ukraine gegen die Behandlung Kriegsgefangener durch Russland. „Wir verurteilen die Ausbeutung von Kriegsgefangenen und Zivilisten für politische Zwecke und haben dies gegenüber Russland angesprochen“, erklärte das Außenministerium. Zuvor hatte die russische Staatsagentur Tass unter Berufung auf prorussische Separatisten gemeldet, dass zwei Briten wegen „Söldneraktivitäten“ angeklagt worden seien.

Die russische Armee traf nach eigenen Angaben bei Luftangriffen zahlreiche militärische Ziele. Die Ukraine habe „hohe Verluste an Menschen und Material“ erlitten, behauptete Ministeriumssprecher Konaschenkow. In der Ukraine wurden in den vergangenen Monaten immer wieder auch Wohngebäude und andere zivile Einrichtungen bei russischen Angriffen beschädigt. Der ukrainische Generalstab sprach am Samstag ebenfalls von hohen Verlusten auf der gegnerischen Seite. Die Angaben sind nicht genau zu überprüfen. (Tsp, AFP, dpa, Reuters)

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