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Heimkinder: Aufarbeitung vor Gericht

Am kommenden Donnerstag könnte der Versuch scheitern, das Schicksal der Heimkinder der frühen Bundesrepublik aufzuarbeiten und ihnen späte Genugtuung zu verschaffen.

Der Verein der ehemaligen Heimkinder (VEH) klagt vor dem Berliner Kammergericht darauf, drei von ihm benannte Mitglieder an den vom Bundestag eingerichteten „Runden Tisch Heimkinder“ zu entsenden, statt der drei „Ehemaligen“, die bisher als Mitglieder des 22-köpfigen Gremiums arbeiten.

Die Brisanz der Entscheidung, die der mündlichen Verhandlung vor dem Gericht folgen könnte, liegt indes weniger in der Frage der personellen Zusammensetzung, sondern vor allem in ihrer Wirkung auf die Konstruktion des Runden Tisches, den die ehemalige Bundestagsvizepräsidentin Antje Vollmer (Grüne) moderiert. Sollte das Kammergericht, wie unter den Mitgliedern des Runden Tisches befürchtet, der Auffassung der Kläger folgen, diese Einrichtung als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) einzustufen, ginge es nicht mehr um die freiwillige Suche nach Wahrheit, Bestandsaufnahme und Wiedergutmachungsmöglichkeiten, für die bis Ende 2010 Vorschläge erarbeitet werden sollen. Sondern um Verhandlungen zwischen Gesellschaftern – zu denen die Wissenschaftler, Vertreter von Kirchen, Bund und Ländern am Runden Tisch keinen Auftrag haben.

Austauschen möchte der VEH die Vertreter der Betroffenen, um die Forderung einer 25-Milliarden-Entschädigung für die ehemaligen Heimkinder durchzusetzen. Doch für Verhandlungen dieser Art fehlt dem Runden Tisch nicht nur das Mandat. Das ist überhaupt rechtlich wenig aussichtsreich. Denn das zur Rede stehende Unrecht ist straf- und privatrechtlich verjährt.

„Man kann nichts erreichen, wenn man Türen mit Gewalt eintreten will“, sagt deshalb Sonja Djuravic. Sie sitzt als Betroffene am Runden Tisch und beobachtet mit Sorge, dass der VEH-Vorstand „fremdbestimmt“ handelt. Zwei der drei neuen Mitglieder, die der VEH zunächst einklagen wollte, sind gar keine Betroffenen, sondern der Hamburger Anwalt Gerrit Wilmans und als sein Berater der Jurist Michael Witti, der im vergangenen Jahr zu einer Bewährungsstrafe verurteilt wurde, weil er Entschädigungsgelder seiner jüdischen Mandanten veruntreut hatte, und zudem seine Anwaltszulassung verloren hat. Unbehagen bereitet Djuravic auch die Rolle der kirchenkritischen Giordano-Bruno-Stiftung, deren Vorsitzender Herbert Steffen die letzte Mitgliederversammlung des VEH geleitet hat. „Mein Standpunkt ist, dass wir uns von niemandem ausnutzen lassen dürfen“, sagt Djuravic, die in den 60er Jahren dreieinhalb Jahre in einem oberfränkischen Diakonissinnen-Heim gelebt hat. Nach ihrem Eindruck wollen die meisten Ehemaligen den Runden Tisch; erst das Auftreten der Anwälte habe die Mitglieder gespalten.

Zwischen 1945 und 1975 sind hunderttausende Kinder und Jugendliche in staatliche und kirchliche Heime eingewiesen worden. Drakonische Strafen, Zwangsarbeit, Missbrauch und der Entzug von Schulbildung haben viele dieser Kinder bis heute traumatisiert. Der Bundestags-Petitionsausschuss hatte seine Beratungen im November 2008 mit der Empfehlung abgeschlossen, einen Runden Tisch zur Aufklärung der Hintergründe und Folgen für die Betroffenen einzurichten. Dazu soll auch über Möglichkeiten der Rehabilitierung, psychologischer Hilfe und Entschädigung der Opfer beraten werden. In seinem Beschluss erkennt der Bundestag „erlittenes Unrecht und Leid“ an und „bedauert das zutiefst“.

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