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Politik: Helden des Übergangs - Warum die direkten Nachfolger von starken Politikern regelmäßig scheitern (Kommentar)

Was haben ausgerechnet die CDU und die PDS gemein? Ein Problem!

Was haben ausgerechnet die CDU und die PDS gemein? Ein Problem! Wie lebt man weiter, wenn eine über lange Jahre dominierende Führung abtritt? Die Union hat, so glaubt sie jedenfalls, das Problem schon gelöst. Der PDS steht es unweigerlich bevor. Schaut man sich die Sache näher an - und das heißt zugleich: aus einer größeren Distanz - so offenbart sich ein Grundmuster aller Generationswechsel: Der unmittelbare Nachfolger hat keine Chance - selbst wenn er sie nutzt.

Das erste Element unseres Grundmusters ist eine lang anhaltende, auf eine Person, auf zwei oder drei Personen (die berühmte Troika!) konzentrierte politische Führung. Es entspricht alter Lebenserfahrung, dass neben solchen starken Figuren kaum Gras wächst, geschweige denn eine junge Eiche. Für diese Erfahrung gibt es starke Bilder - zum Beispiel von den Führungsfiguren, die ihr Lebenswerk um jeden Preis behalten wollen - die aber insgeheim wünschen, das Gebäude möge hinter ihnen zusammenbrechen, sobald sie mit den Füßen voraus hinausgetragen werden. Dies ist aber nur die eine Seite der Medaille.

Das zweite Element unseres Grundmusters sieht so aus: Natürlich denken auch neben und hinter den charismatischen Führungsgestalten Menschen über die Zukunft, über die Nachfolge - und über die eigene Karriere nach. Aber der langjährige Wettbewerb um die besten Ausgangspunkte findet unter der Dominanz des immer noch amtierenden Vorgängers statt. Man muss also den Konkurrenten aus dem Felde schlagen, indem man vorläufig gerade nicht die Frage beantwortet: "Wer wäre der bessere Nachfolger?" (und das könnte ja geradezu eine Gegenfigur zum Vorgänger sein!), sondern die in der Praxis gestellte Frage lautet: "Wer ist dem Amtsinhaber am engsten verbunden, jedenfalls am wenigsten gefährlich?" Und je länger die Amtszeit einer solchen charismatischen (oder auch nur: machtvollen) Führung dauert, desto mehr scheiden "echte" Nachfolger-Typen aus, verengt sich das Feld also auf Personen, die direkt oder indirekt an den Vorgänger gefesselt sind, teils aus sachlicher Loyalität, teils mental, zuweilen psychisch ganz intensiv. Und wenn es ganz tragisch kommt, findet sich in dem kleinen Kreis am Ende eine Person von ungemein ausgeprägter gouvernementaler und administrativer Befähigung - Leute also, die ein Staatspräsident (zum Beispiel in Frankreich) auf der Stelle zum Chef ihrer Regierung ernennen würde. Zum Beispiel also Wolfgang Schäuble nach Helmut Kohl - und Hans-Jochen Vogel als Erbe der Troika Brandt-Wehner-Schmidt.

Die "Helden des Übergangs" - sie haben auf Grund der typischen Konstellationen kaum die Chance das eine zu werden, nämlich: Helden, charismatische Führer. Denn wären sie es, sie hätten die alte Führung nicht so lange getragen und ertragen. Erhard nach Adenauer, Streibl nach Strauß - die Geschichtsbücher sind voll von Beispielen dafür, dass die unmittelbaren Nachfolger der machtvollen Amtsinhaber verschlissen werden, dass also erst die Nach-Nachfolger eine Chance haben, sich freier zu bewegen. Ja, diese zweite Nachfolgegeneration kann es sich dann sogar leisten, ein wenig mit den Patriarchen zu kokettieren (wie Angela Merkel mit Helmut Kohl) - oder gar ganz heftig (wie die "Enkel" mit Willy Brandt); wie sich ja überhaupt Enkel mit Großvätern seit jeher besser verstehen als Väter mit Söhnen.

Das Beispiel gerade der Enkel Willy Brandts zeigt aber: Die Chance ist nicht schon der Gewinn. Drei politische Enkel Willy Brandts, nämlich Engholm, Scharping und Lafontaine, wurden politisch aufgerieben, bevor Gerhard Schröder Kanzler werden konnte - und der war nie ein echter Enkel gewesen. (Und nach Adenauer verbrauchte die Union zwei Kanzler - Erhard und Kiesinger - und zwei Kanzlerkandidaten - Barzel und Strauß - , bevor sie tatsächlich wieder an die Macht kam.)

Diese Beispiele lehren: Angela Merkel ist die erste Person nach Helmut Kohl, die im CDU-Vorsitz überhaupt eine Chance hat; das ist viel - aber auch nicht allzu viel. Der lange Schatten des Patriarchen ...

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