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Politik: Helfen und strafen

Selbst Kritiker sind mit den Leitlinien zum Kampf gegen Missbrauch in der Kirche zufrieden – fast

Von Christian Böhme

Ein bisschen erstaunt war Annegret Laakmann schon. Mit so klaren Richtlinien der 68 deutschen Bischöfe zum Kampf gegen sexuellen Missbrauch hatte die Referentin der Kirchenvolksbewegung „Wir sind Kirche“ nicht gerechnet. „Bisher ist bei Übergriffen auf Kinder und Jugendliche ja abgewiegelt und heruntergespielt worden“, sagt die 59-Jährige. Gerade deshalb sei sie jetzt froh, dass sich die Kirchenoberen bei ihrem Treffen in Fulda auf eine gemeinsame Haltung in dieser Frage geeinigt hätten. Froh auch deshalb, weil sich viele Forderungen der Laienorganisationen und anderer Kritiker in dem achtseitigen Papier wiederfänden.

Laakmann hebt besonders hervor, dass nun endlich die Opfer mehr Beachtung finden. Auch die Grünen-Politikerin Christa Nickels begrüßt diesen „Perspektivenwechsel“. Dieser sei aber nicht durchgehend in den 16 Leitlinien zu finden, bemängelt die kirchenpolitische Sprecherin.

In den 27 Diözesen, so haben es die Bischöfe festgelegt, wird es künftig einen Beauftragten geben, der Vorwürfen gegen Geistliche nachgehen soll. Ihm können Psychologen, Ärzte, Juristen, Theologen und Laien zur Seite gestellt werden. Gedacht sind diese Anlaufstellen sowohl für die betroffenen Opfer als auch für kirchliche Mitarbeiter. Jede Anzeige oder Verdachtsäußerung wegen sexuellen Missbrauchs wird künftig umgehend geprüft. In erwiesenen Fällen soll dem Verdächtigen zur Selbstanzeige „geraten“ werden. Dem Opfer und seinen Angehörigen sichern die Bischöfe menschliche, therapeutische und pastorale Hilfen zu.

Aber die Leitlinien sehen nicht nur Hilfen, sondern auch (unabhängig von zivilrechtlicher und strafrechtlicher Verfolgung) Kirchenstrafen für die pädophilen Priester vor. In „Einzelfällen“ ist eine Entlassung aus dem Klerikerstand möglich. Festgelegt wurde weiter, dass dem Täter nach Verbüßung seiner Strafe keine Aufgaben mehr übertragen werden, „die ihn in Verbindung mit Kindern und Jugendlichen bringen“. Auch damit sind die Bischöfe einer wesentlichen Forderung ihrer Kritiker nachgekommen.

Dennoch. Hundertprozentig zufrieden sind Christa Nickels und die Laienorganisationen mit den Vorgaben der Bischöfe nicht. Kritisiert wird vor allem, dass die Richtlinien keine unabhängige und fachkundige Prüfung der Missbrauchsfälle garantieren. „Ein Beauftragter kann im Moment noch jeder sein“, sagt Nickels. Es müsse auch sichergestellt werden, dass Frauen als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Drei Viertel der Opfer seien nämlich Mädchen. Bisher hat die katholische Kirche 47 Fälle von Missbrauch aus den vergangenen dreißig Jahren zugegeben. Die Initiative „Kirche von unten“ geht aber von deutlich mehr Fällen aus.

Für „untragbar“ hält Nickels, dass zuerst das Gespräch mit dem Täter statt mit dem Opfer gesucht werden soll. Sie fürchtet, der so gewarnte Täter könnte den Schutzbefohlenen wieder unter Druck setzen und so zum Schweigen bringen. Die Grünen-Politikerin vermisst zudem die Verpflichtung, Opfer umfassend über ihre Rechte zu informieren. Dazu gehöre eben auch die Möglichkeit, Schmerzensgeld einzuklagen.Trotz der Kritik im Einzelnen – Nickels ist froh, dass es jetzt Leitlinien gibt. „Und bei den Detailfragen wird sich die Kirche noch bewegen.“

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