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Politik: Helfer am Schlagbaum

Die Vorboten des Winters sorgen bei den humanitären Organisationen in der pakistanischen Grenzregion zu Afghanistan für Nervosität. Diese Woche sanken die Außentemperaturen im westpakistanischen Quetta erstmals unter den Gefrierpunkt.

Die Vorboten des Winters sorgen bei den humanitären Organisationen in der pakistanischen Grenzregion zu Afghanistan für Nervosität. Diese Woche sanken die Außentemperaturen im westpakistanischen Quetta erstmals unter den Gefrierpunkt. Derweil zieht ein Flüchtlingsstrom aus den Kriegsgebieten in das Nachbarland. Ein großer Teil der Menschen kommt bei Verwandten unter, andere errichten in Gruppen behelfsmäßig Zeltlager, oder nutzen bereits bestehende Lager. Eine Versorgung dieser Menschen ist wegen der fehlenden Registrierung kaum zu gewährleisten.

Zum Thema Online Spezial: Terror und die Folgen Themenschwerpunkte: Krieg - Afghanistan - Bin Laden - Islam - Fahndung - Bio-Terrorismus Fotostrecke: Der Krieg in Afghanistan Das Hauptproblem ist nach wie vor die geschlossene Grenze und die beharrliche Weigerung der pakistanischen Militärregierung von Pervez Musharraf, die Flüchtlinge anzuerkennen. Musharraf fordert ein schnelles Ende der Angriffe und die Versorgung der fliehenden Menschen im eigenen Land. Weil für seine Regierung das Flüchtlingsdrama im Westen Pakistans offiziell nicht existiert, können Dutzende Hilfsorganisationen nur provisorische Hilfe leisten.

Diderik van Halsema, Sprecher von "Ärzte ohne Grenzen", beklagt das als untragbar. "Es ist verständlich, dass Musharraf Sorgen vor einer wirtschaftlichen und sozialen Krise durch die Flüchtlinge hat", sagt der gebürtige Niederländer. Bis die Hilfe in geordneten Bahnen laufen kann, besteht der Alltag aus Ungewissheit und Provisorien. Die Mitarbeiter von "Ärzte ohne Grenzen" etwa fahren regelmäßig die Grenzregion ab, um neue Lager ausfindig zu machen und die Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen.

Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks strömen täglich rund 2000 Menschen über die geschlossene, aber löchrige Grenze. Amnesty schätzt die Gesamtzahl auf 100 000 Flüchtlinge. Ein großer Teil von ihnen muss die beschwerliche Route über die Berge im Norden der Grenze wählen - ein Umstand, der Alte und Schwache dazu verdammt, im Kriegsland zu bleiben. "Es gibt Indikatoren, die uns vermuten lassen, dass die Flüchtlingszahl allein in den vergangenen zwei Wochen in den bestehenden Lagern um zehn bis 15 Prozent gestiegen ist", sagt der in Islamabad stationierte deutsche Berater für die Caritas-Katastrophenhilfe, Karl Ammann.

Für Unmut sorgt die beharrliche Weigerung Islamabads, die Grenzen zumindest punktuell zu öffnen. Nach einem Bericht der "New York Times" drängt die US-Regierung auf die Grenzschließung, um in Afghanistan vermuteten Mitgliedern der Al Qaida die Bewegungsfreiheit einzuschränken.

Caritas-Vertreter Ammann sieht die Forderung nach der Einrichtung eines humanitären Korridors zur Versorgung der weit über eine Million Binnenflüchtlinge in Afghanistan verhallen. Eine solche von allen Kriegsparteien akzeptierte Route für Hilfslieferungen hatte auch die Präsidentin des Europaparlamentes, Nicole Fontaine, gefordert. "Wir müssen aber wohl ohne diese Möglichkeit auskommen", vermutet Ammann. Das werde zwar äußerst beschwerlich, aber "uns bleibt doch nichts anderes übrig". Schwierig ist es inzwischen, Fahrer für die Hilfskonvois zu finden. Die Meldungen des Beschusses eines Konvois nahe Dschalalabad vor wenigen Tagen durch US-Luftkräfte haben die Angst geschürt.

Der Ausschuss für Menschenrechte des Bundestages bezeichnet die Flüchtlingssituation als "glücklicherweise nicht so dramatisch, wie zunächst befürchtet". Eine Bewertung, die der PDS-Vertreter im Ausschuss, Carsten Hübner, nicht teilt: "Nach Angaben verschiedener Organisationen würden eine Millionen Menschen fliehen, wenn sie nur die Möglichkeit hätten." Die aber werde ihnen an der Grenze verwehrt. Wer solche Formulierungen wähle, "der lügt zwar nicht und tut es doch".

Harald Neuber

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