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Politik: Helmut Kohl: Teure Unschuld

Sein Ziel ist erreicht: Helmut Kohl kann ohne Vorstrafe als "Kanzler der deutschen Einheit" in die Geschichte eingehen. Der "CDU-Patriarch" kam nach Aussage Bonner Justizkreise "wahrlich mit einem blauen Auge davon".

Sein Ziel ist erreicht: Helmut Kohl kann ohne Vorstrafe als "Kanzler der deutschen Einheit" in die Geschichte eingehen. Der "CDU-Patriarch" kam nach Aussage Bonner Justizkreise "wahrlich mit einem blauen Auge davon". Zwar kostet ihn die Einstellung des Verfahrens mit 300 000 Mark nicht gerade wenig, aber das Geld "wird er sicher leicht zusammenbringen", war aus seiner Berliner Umgebung zu hören. Kohl ging es immer um das "nicht vorbestraft". Er lasse sich nicht "kriminalisieren", sagte er immer wieder mit großem Nachdruck.

Hintergrund: Anonyme Spender und Ermittlungsverfahren - eine Chronologie. Stichwort: Verfahrenseinstellung Kohl überstand auch drittes Ermittlungsverfahren ohne Prozess

Die Bonner Staatsanwaltschaft hat es sich nicht leicht gemacht, bevor sie in der CDU-Parteispendenaffäre beim Landgericht mit dem Antrag auf Einstellung ihres Ermittlungsverfahrens dem Ex-Kanzler den Makel einer Vorstrafe erspart hat. Nach 14 Monaten, bei denen Staatsanwalt Roland Wangen acht Bände mit 1539 Seiten "erarbeitet" hat, kann die Kohl-Akte mit dem Zeichen 50 Js 1/00 geschlossen werden.

Der "Sieg" des 70-jährigen Pfälzers, der schon viele Krisen "aussaß", dürfte in der Öffentlichkeit nach Einschätzung politischer Beobachter heftige Diskussionen unter dem Motto "Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen" auslösen. Kohl hatte selber eingeräumt, gegen gesetzliche Regeln verstoßen zu haben. "Ja, ich habe 2,1 Millionen Mark Spendengelder an den Rechenschaftsberichten vorbei direkt für die Parteiarbeit eingesetzt und damit gegen das Parteiengesetz verstoßen", schrieb er zur Einleitung seines "Tagebuches 1998 bis 2000".

Bundesinnenminister Otto Schily (SPD) hatte im Vorfeld davor gewarnt, das Ermittlungsverfahren gegen Helmut Kohl einzustellen. Er zitierte ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1979, in dem die "zentrale Bedeutung" der öffentlichen Rechenschaft über das Geld der Parteien hervorgehoben wurde. Wer sich darüber hinwegsetze und Geld von anonymen Großspendern annehme, begehe "nicht etwa eine Ordnungswidrigkeit", sondern einen "Verfassungsverstoß", so Schily. Er stellte die Frage, "wie man vom kleinen Mann auf der Straße verlangen" solle, dass er sich an Recht und Gesetz halten muss, "wenn andere sich darüber erheben".

Wie aus den Bonner Justizkreisen zu erfahren war, schwang bei den ermittelnden Staatsanwälten auch die Sorge mit, dass nach einer Anklage gegen Kohl und dem darauf folgenden Prozess nicht mit einem "klaren Schuldspruch" gerechnet werden konnte. Nach Aussage von Juristen ist Untreue, derentwegen gegen den "CDU-Patriarchen" ermittelt wurde, bei politischen Parteien, "anders als in der Wirtschaft, juristisches Neuland".

Unklar ist jetzt aber, wie sich der Bonner Verfahrensausgang auf die weiteren Ermittlungen des Spendenuntersuchungsausschusses in Berlin auswirken wird. Bei seinen bisherigen drei Auftritten vor dem Gremium konnte Kohl wegen der laufenden Ermittlungen die Aussage verweigern. Das billigte ihm die Strafprozessordnung ausdrücklich zu. Wenn Kohl gezahlt hat, und die Staatsanwaltschaft das Verfahren endgültig eingestellt hat, entfällt diese Möglichkeit. Der Vorsitzende des Ausschusses, Volker Neumann (SPD), hat bereits angekündigt, beim nächsten Erscheinen Kohls müsse er die Namen der anonymen Spender nennen.

Friedrich Kuhn

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