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Politik: Hemden vom Boss

Aus Protest haben schon 6000 Bürger dem Kanzler alte Hemden gespendet. Der schickt sie nach Bielefeld

Von Matthias Meisner

Irgendwann dieser Tage wurde es den Leuten im Bundeskanzleramt dann doch zu viel. Bis Montag waren bereits rund 3800 „letzte Hemden“ in Berlin eingangen, und allein am Dienstag kamen noch einmal 2200 dazu – als Zeichen des Protestes gegen Gerhard Schröders Sparpolitik.

Ende vergangener Woche noch hatte der Kanzler ein erstes Paket mit 400 Hemden an das von einer Arbeitsloseninitiative in Bielefeld gegründete Gebrauchtkaufhaus „Bring’s und Kauf“ schicken lassen. Doch jetzt wolle man „erstmal sammeln – und abwarten, was noch kommt“, hieß es am Dienstag aus dem Bundespresseamt. Vielleicht werde es sich noch lohnen, einen Lieferwagen zu einer der karitativen Organisationen auf den Weg zu schicken. Denn gleich mehrere haben sich inzwischen darum beworben, dem Kanzler gestiftete „letzte Hemden“ unter arme Leute zu bringen. Etwa die Recycling-GmbH des Kolping-Werkes bat, das letzte Hemd der Bürger zur Hilfe für andere Menschen nutzen zu dürfen: „Aus einem Internet-Gag würde eine Charity-Aktion“, schrieb Geschäftsführer Günter Pilz an das Kanzleramt.

Und die Ware scheint nicht schlecht zu sein – selbst wenn sie bei „Bring’s und Kauf“ in Bielefeld zum Schnäppchenpreis von 99 Cent pro Teil verkauft wird. „Gut tragbare“ Hemden seien darunter, sagte Kaufhaus-Chef Christian Presch: „Wir sind recht angetan von der Qualität. Es sind auch Boss-Hemden dabei.“ Mancher indes schickte auch nur sein Unterhemd. Und einer ließ „Rot Grün Ruin“ auf sein eingesandtes T-Shirt drucken. Nutzen wird es so oder so den Bedürftigen: Die Belegschaft von „Bring’s und Kauf“ besteht größtenteils aus ehemaligen Langzeitarbeitslosen und Schwerbehinderten. Die ersten Hemden jedenfalls gingen laut Presch weg „wie geschnitten Brot“, fast keines mehr hängt im Laden. An diesem Mittwoch will er, bevor andere kommen, eine neue Ladung in Berlin gleich selbst abholen lassen: „Wir nehmen alles mit, was bis dahin da ist.“

Der Versand von „letzten Hemden“ in die Hauptstadt wird inzwischen von mehreren Leuten populär gemacht. Die im Landtagswahlkampf stehende Junge Union Hessen sicherte sich die Internet-Seite www.letztes-hemd.de und droht, bald auch Unterwäsche nach Berlin zu schicken, „wenn Bundeskanzler Schröder nicht bald abgelöst wird“. Christian Stein aus Schwerte bei Dortmund, der mit einer Ketten-E-Mail die Aktion in Gang gebracht hat, will sich indes parteipolitisch nicht vereinnahmen lassen.

Dafür zieht auf seiner Web-Seite www.aktionletzteshemd.com inzwischen Porno-Star Katja Kassin ihre Bluse aus – und gleich daneben lässt sich Werbung für erotische Fruchtgummis anklicken. Auch mit „letzten Hemden“ lassen sich noch gute Geschäfte machen.

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